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Dieser Mann ist leider tot

Dieser Mann ist leider tot

Titel: Dieser Mann ist leider tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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öffnete sich an ihr eine vertikale Naht, und sie verschluckte den Satelliten. Dieser Prozeß – abwechselnd faszinierend und entsetzlich – dauerte genau eine Woche. Seitdem ist der Mond ein chamäleonhafter Fremdling. Manchmal sieht er aus wie eine polierte Radkappe, manchmal wie eine Glaskugel voll tropischer Fische und biolumineszenter Aale, und manchmal wie die Linse eines Riesenprojektors, der surrealistische Filme in kaleidoskopischem Technicolor zeigt.
    Es gehen Dinge vor dort oben, seltsame Dinge. Hin und wieder überflutet der Chor die Lüfte der Erde mit geisterhafter Musik, mit Botschaften, die mit der fremdartigen Mondhaut im Takt pulsieren. Ein paar ausgewählte Menschen – der Chor hat sie ausgesucht – sind in der Lage, diesen ›Gesang‹ zu übersetzen: In Empfehlungen zur Entwicklung neuer Technologien oder zur Lösung der diversen Probleme, die noch immer die Bevölkerung der Erde spalten. Und bisher haben fast alle diese Empfehlungen einen unmittelbaren Einfluß zum Guten ausgeübt. Andererseits, denkt Lia, kann man nun den Mond nicht mehr anschauen und die Konturen sehen – Krater, Meere und Seen –, die NASA und Sowjets in den Hochzeiten des ost-westlichen ›Weltraumrennens‹ höchst ernsthaft kartographiert haben.
    »Ich hab’s jetzt satt, hier auf’m Hintern zu sitzen und auf euch zwei zu warten«, teilte Eldred seinen Eltern mit.
    »Ich auch«, sekundierte Karina.
    O nein, dachte Leah. Daddy wird euch den Hintern, auf dem zu sitzen ihr satt habt, versohlen. Und unser ganzer verfluchter Vormittag ist beim Teufel.
    Aber Dolf lachte nur. »Darauf wette ich, Paatnah«, sagte er. »Und mit dir auch, Missy K.« Er schaltete das Tri-D mit der Fernbedienung ab und führte alle hinüber zum Baum.
    Die Packards setzten sich vor das frostige Rechteck des Panoramafensters und begannen ihre Päckchen zu öffnen.
    Die beiden ersten waren für die Kinder – große Schachteln, und Dolf sagte, sie sollten sie gemeinsam öffnen.
    Päckchen eins enthielt ein Paar fußhohe Plastikpferde mit Spielzeugsätteln, Zaumzeug und Reitern.
    Päckchen zwei, das nicht ausgewickelt werden mußte – es genügte, den Deckel vom Karton zu nehmen – barg zwei weitere kleine Geschöpfe. Aber diese beiden waren lebendig: Ein Paar Meerschweinchen, mit einem Pelz so weiß wie Schnee. In den Tierhandlungen nannte man sie ›Schneebabies‹ statt Meerschweinchen, und so sahen sie auch aus: Wie Schneebabies. Die Kinder würden ein bißchen älter sein müssen, um sie richtig zu versorgen, meinte Leah; aber Dolf hatte darauf bestanden, sie trotzdem zu kaufen.
    Für Leah war die kleinste Schachtel von allen. Eine goldene Brosche lag darin, das Intaglio-Profil eines Fisches. Leah war überrascht und entzückt, denn Dolf gehörte normalerweise nicht zu den Leuten, die Schmuck verschenkten.
    Dolf bekam ein Buch. Er hatte erkannt, was in dem Papier war, als sie es unter den Baum gelegt hatte. Natürlich konnte er nicht wissen, welches Buch sie gekauft hatte, und so sah Leah aufmerksam zu, als er das Papier abriß.
    »Ah«, sagte er. »Philip Kyle Dick. ›The Three Desiderata of Calvin Deckard‹.« Und er küßte sie.
    »Ich wußte, daß du seine Romane magst.«
    »Das hier ist kein Roman. Dick nennt es seine ›Exegese‹, ein Buch zur spekulativen Theologie. Das einzige, was daran romanhaft ist, besteht, glaube ich, in der Tatsache, daß er es einem hellseherischen Jünger des Unsterblichen in den Mund legt. Dieser Jünger heißt Calvino Deckard.«
    »Des Unsterblichen? Christi?«
    »Nicht genau. Dick – ich meine, der fiktionale Calvino Deckard – nennt ihn einen ›Plasmaten‹, eine Form von lebendiger Information, und er schreibt folgendes über ihn:« Dolf blätterte durch das Hardcover. »›Der Oberste Apollo wird bald zurückkehren.‹ Das hat er ’74 geschrieben, und es klingt wie eine Weissagung von der Ankunft des Chors.«
    Und weiter hinten dann dies: »›Alle Schöpfung ist Sprache und nichts als Sprache, die wir aus irgendeinem unerklärlichen Grunde außen nicht lesen und innen nicht hören können …‹ Natürlich hat der Chor nun begonnen, uns zu zeigen, wie man diese ›Sprache‹ lesen und hören kann, und wenn unsere Lotteriegewinner nach Mira Ceti reisen, um Gott zu sehen und vom Rande der Manege aus die Ereignisse zu verfolgen, die der Supernova ihres Sterns vorausgehen, dann werden wir über die Schöpfung und über die Sprache, die sie formuliert hat – mehr wissen als irgend jemand, der gelebt

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