"Dieser Weg wird kein leichter sein,,,": Mein Leben und ich (German Edition)
mich mit meiner Auswahl zwischen die Stühle. Denn die Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden. Und die gewohnten Lautstärken auch. Es kam schon mal vor, dass Musik lief, die Jens Nowotny dann leiser machte. Dann aber rauschte Poldi an und drehte wieder auf. So ging das hin und her. Meistens aber zogen die Alten gegenüber den Jungen den Kürzeren.
Vor den Spielen setzte sich jedoch einvernehmlich ein Ritual durch. Xavier Naidoo hatte mit seinem Song »Dieser Weg« geradezu den perfekten Soundtrack für uns geliefert. Der Trainer startete ihn immer, wenn wir raus auf das Spielfeld gingen. Das Lied begleitete uns durch das ganze Turnier. Ebenso »Was wir alleine nicht schaffen« – ein tolles Stück, das in der Kabine zur mentalen Vorbereitung auf den Gegner und die Einstimmung auf die entscheidenden Momente diente. Alle sangen mit, der eine eher für sich, andere auch eindeutig laut. Die Botschaft war unmissverständlich: Nur zusammen, mit vereinten Kräften, mit Vernunft, Geduld und gegenseitiger Rücksichtnahme würden wir den Gegner schlagen und es schaffen. Dieses Lied zauberte eine ganz eigene Atmosphäre in die Kabine. Wir alle wussten, dass wir unser Ziel tatsächlich nur gemeinsam erreichen würden und dass wir die Macht hatten, jedes Hindernis zu meistern mit Menschen an unserer Seite, für die sich dieser Kampf auch lohnte. Große Gefühle, klar, aber das war unser Vorteil: Wir waren in der Lage, diese Emotionen in Leistung umzusetzen.
Dass wir am Ende den Titel doch nicht geholt haben, hat viele Gründe. An fehlenden Emotionen jedenfalls lag es nicht. Noch heute wird mir warm ums Herz, wenn ich diese Lieder im Radio höre. Sie sind so etwas wie eine zweite Nationalhymne für mich. Im Kopf läuft jedes Mal ein Film ab, der schöner nicht sein kann. Verliebte würden sagen: »Hör’ mal, Schatz, sie spielen unser Lied!« Und tatsächlich war diese WM eine intensive Beziehung mit ganz viel Liebe zum Fußball.
Ein Lied für uns
Wir beendeten die WM mit einem Sieg im Spiel um Platz drei gegen Portugal. Ich hatte gehofft, dass ich noch einmal einen Einsatz bekomme, und war erst enttäuscht, als ich mich zwar warm machen durfte, aber dann doch Mike Hanke ins Spiel kam. Aber es war am Ende richtig so. Auch wäre Jürgen Klinsmann sich sonst nicht selbst treu geblieben, denn er achtete auch bis zum Schluss darauf, dass jeder seinen Anteil an diesem großen Erlebnis hatte – und Mike Hanke war bisher noch nicht aufgelaufen.
Das Ende der Mission Weltmeistertitel mit dem Auftritt in Berlin vor Hunderttausenden von Fans, die uns während des Turniers so toll unterstützt hatten, war noch einmal ein emotionaler Höhepunkt. Auch Xavier Naidoo war gekommen, völlig begeistert davon, dass die Nationalmannschaft ein so treuer Abnehmer seiner Musik geworden war. Als Geschenk brachte er einen neuen Song mit. Obwohl wir uns eigentlich bei ihm für seine tollen Lieder hätten bedanken müssen, war er es, der Danke sagte dafür, dass er als Fan so viel Spaß mit uns hatte, und ließ jeden Einzelnen aus dem Kader in »Danke« noch einmal hochleben. Das werden alle, die auf der Bühne in Berlin waren, nie vergessen.
Epilog
Mein letztes Spiel für die deutsche Nationalmannschaft machte ich am 6. September 2006 in der EM-Qualifikation gegen San Marino. Danach wurde ich nicht mehr nominiert. Der Umbruch kam und dennoch hätte ich mir einen schöneren Abschied vorstellen können. Man ist eben dann kein Nationalspieler mehr, wenn man nicht mehr eingeladen wird. So einfach ist das. Ich war gerne dabei!
Unverzichtbar – was mir Familie bedeutet
Familienbande
Wenn ich sage, dass meine Familie eine echte Bande ist, meine ich nicht nur ihre Umtriebigkeit – bei drei Kindern ist immer etwas los –, sondern auch Bande im Sinne eines Bündnisses, in dem langjährige Verbundenheit herrscht. Dass ich meine Frau Linda kennengelernt habe, geschah nicht rein zufällig, sondern fast schon zwangsläufig. Dass daraus Liebe wurde, hat allerdings etwas gedauert. Doch eines nach dem anderen.
Lindas Mutter ging zusammen mit meiner Mutter in Ghana zur Schule. Da sie schon immer vorhatte, ins Ausland zu gehen, verschwand sie eines Tages mit ihrem Mann nach London, wo Linda geboren wurde. Doch leider stand die Ehe unter keinem guten Stern, sodass sich Lindas Eltern wieder trennten. Während die Mutter nach Deutschland ging und bei meinen Eltern in Hannover lebte, blieb der Vater in London. Linda aber kam in Ghana in ein Internat. Die
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