Dieses bescheuerte Herz: Über den Mut zu träumen (German Edition)
den Rest bezahle ich.«
Das war die blödeste Idee, die ich jemals gehört hatte. Warum sollte ich von meinem Geld etwas dazugeben? Das kapierte ich nicht.
»Das mache ich nicht«, sagte ich und drehte mich weg.
»Du, wir können das Spielchen noch eine Weile spielen, kein Problem, ich habe Zeit, aber vielleicht wollen die anderen Leute auch noch drankommen. Was meinst du?«
Ich schaute an Tamtam vorbei, und die Frau, die mit ihrem Kinderwagen hinter uns stand, hatte schon einen unruhigen Blick aufgesetzt.
»Aber du bezahlst doch sonst immer alles!«, versuchte ich es wieder.
»Und genau deshalb musst du lernen, dass das keine Selbstverständlichkeit ist.«
Die Schlange hinter uns wurde immer länger, aber Lars lehnte völlig entspannt am Kassentresen.
»Es ist deine Hose. Wenn du sie wirklich willst, gibst du was dazu, wenn nicht, dann bleibt sie hier. Deine Entscheidung. Ja oder nein?«
Ich holte meinen Geldbeutel aus der Jackentasche, knallte den Gutschein auf den Tisch und grummelte: »Aber nicht, dass das jetzt immer so wird!«
Das Mädchen an der Kasse lächelte mich jetzt an, die Dame, die eben noch böse geguckt hatte, auch, und ich fragte mich, was daran so lustig sein sollte. Ich fand es nur gemein. Als wir aber wenig später in dem geilen Superauto saßen, und ich den Startknopf drücken durfte, war wieder alles gut in meinem Kopf.
Wir setzten Tamtam vor der Wohnung ihrer Freundin ab, wo sie die nächsten beiden Nächte schlief, und fuhren wieder stadtauswärts. Ich setzte mich nach vorne zu Lars. Wenn kein Mädchen im Auto war, brauchte er auch nicht mehr Chauffeur zu spielen. Regentropfen fielen vom Himmel, und ich dachte an meine Freunde, die dort oben gerade den Spaß ihres Lebens hatten. Ob sie mir die Regentropfen schickten? Ich stellte mir die Sitzheizung an und rutschte ein bisschen tiefer in den Sitz, um den Himmel besser sehen zu können. Er war ganz grau und wolkig.
»Können wir noch durch die Gegend fahren, bevor es zurück nach Hause geht? Einfach nur rumfahren bitte.«
»Autobahn?«, grinste Lars.
»Autobahn!«, grinste ich zurück.
Wie es wohl wäre, in einem echten Raumschiff zu sitzen und quer durch die Galaxie zu fliegen? Als Lars beschleunigte, schloss ich meine Augen und versuchte es mir vorzustellen, aber ich schaffte nur ein paar Sekunden, weil mein Herz vor Aufregung wummerte. Lars fuhr auf die rechte Spur und drosselte das Tempo, damit ich mich nicht mehr so in den Sitz pressen musste. Ich atmete wieder normal. Der Radiomoderator machte einen Witz über das Dschungelcamp , und Lars wechselte schnell den Sender, um wieder Musik zu hören. Mama sah sich die Sendung jeden Abend an, aber seit Dirk Bach nicht mehr dabei war, spielte ich lieber in meinem Zimmer oder guckte eine Wiederholung von Berlin – Tag & Nacht . Ich fand Dirk Bach so cool. Er erinnerte mich immer an einen kunterbunten runden Knallfrosch. Er quakte auch so lustig. Ich bat Lars, die Musik leiser zu stellen, damit ich mich besser auf meine Gedanken konzentrieren konnte. Die Bilder, die ich sah, waren so echt, dass sie mir vorkamen, als erlebte ich sie gerade zum ersten Mal, dabei war es schon über ein halbes Jahr her, seit Dirk Bach gestorben war.
»Das nennt man einen Flashback haben«, erklärte mir Lars, und ich erzählte ihm alles, denn ich konnte mich noch genau an den Tag erinnern, als ich von seinem Tod erfuhr.
Mein Papa hatte die Zeitung in der Küche liegen gelassen, und das Foto von Dirk Bach war riesengroß auf der ersten Seite abgedruckt. Dort stand ein Zitat, das er in einem Theaterstück hätte aufsagen sollen: »Und wer tot ist, wird ein Stern«. Der Satz brannte sich tief in mein Herz, weil er mich an eine Geschichte erinnerte, die mein großer Bruder Ryan meiner Mama erzählte, noch bevor ich geboren wurde. Ich weiß das, weil Mama sie mir einmal erzählte, als ich ganz krank im Bett lag.
Es war ein verregneter Sonntagnachmittag in Südafrika. Ryan überraschte meine Mama am Küchentisch, wie sie ein zerknülltes Taschentuch in den Händen hielt, sich schnell die Tränen aus dem Gesicht wischte und so tat, als sei nichts geschehen. Seit sie ihr Baby verloren hatte, waren schon zwei Monate vergangen, aber sie kam einfach nicht darüber hinweg.
»Weinst du wegen des Babys?«, fragte Ryan, und als meine Mama betrübt nickte, meinte er: »Dann musst du noch eins bekommen, weil es ein Seelenkind ist und du ja seine Mutter sein solltest.« Sie muss ihn wohl ganz verdutzt angeschaut
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