Dieses heiß ersehnte Glueck
sollte. Kims »Wesley hat es so gern, wenn ich in Ohnmacht falle« reizte sie eher zum Lachen; aber die Vorstellung, daß eine Frau Theater spielte, um die Aufmerksamkeit eines Mannes zu erregen, war ihr zutiefst zuwider. Leah schwor sich, niemals in Ohnmacht zu fallen, egal, wie gern ein Mann es haben mochte.
Es gelang Leah, Wesley in den darauffolgenden Tagen aus dem Weg zu gehen, obwohl sie hin und wieder durch ein Fenster oder um die Ecke eines Gebäudes herum einen Blick auf ihn erhaschte. Sie kleidete sich jeden Morgen sorgfältig an, bis sie merkte, daß sie damit nur seine Aufmerksamkeit auf sich lenken wollte. In der Nacht nach seiner Ankunft hatte sie ihr hübschestes Nachthemd angezogen — für den Fall eines Falles —; doch Wesley hatte sich von ihr ferngehalten. Er war von einer reservierten Höflichkeit, wenn er ihr begegnete; aber das war auch alles.
Als Leah für die bevorstehende Reise ihre Vorbereitungen traf, gewann ihr Stolz endgültig die Oberhand. Sie weigerte sich, Wesleys Zurückweisung als persönliches Leid hinzunehmen.
Der Tag ihrer Abreise dämmerte schön und klar herauf. Der Prärieschoner war hoch beladen; Travis ließ noch eine zweite Plane über die Säcke und Kisten spannen. Wesley saß schon auf dem Kutschbock, die Zügel in der Hand.
Ein Käfig mit Hühnern wurde noch an der Rückseite befestigt und eine Kuh an den Wagensterz gebunden.
»Wir werden dich vermissen«, sagte Regan, während sie Leah umarmte. »Sag Wesley, was du uns mitteilen willst, und er wird es für dich schreiben; aber verliere nie den Kontakt mit uns.« Sie beugte sich vor und flüsterte in Leahs Ohr: »Ich erwarte im Herbst ein Baby.«
»Meinen Glückwunsch!« rief Leah lachend und drückte Regan noch einmal an sich. »Hoffentlich wird es ein Junge, der Travis nachschlägt. Auf Wiedersehen, Jennifer«, rief sie und umarmte Travis zum zweitenmal, der sie dann auf den Sitz hob und neben Wesley setzte.
Als Leah sich umdrehte und winkte, gab Wesley mit schnalzender Zunge den Pferden das Zeichen zur Abfahrt.
Sobald Leah mit Wesley allein war, fühlte sie sich unbehaglich. Sie fing an, ihre Fingernägel zu studieren, steckte sie dann aber unter ihre Schürze.
»Holen wir die Shaws von ihrer Farm ab?« fragte sie. Als Wesley nur stumm nickte, sagte sie nichts mehr.
Sie kamen an der Taverne vorbei, in der Bess arbeitete und Leah wünschte sich, sie könne hier anhalten und ihrer Schwester Lebewohl sagen; aber ein kurzer Blick auf Wesleys steinernes Profil genügte, und sie wußte, daß sie ihn um gar nichts bitten würde. Sie setzte sich kerzengerade auf und blickte nur noch geradeaus.
Die Sonne war gerade über den Horizont heraufgekommen, als sie auf der Plantage eintrafen, die Steven und Kimberly bewohnten. Es war ein winziger Besitz im Vergleich zu Clays Plantage, und ein paar von den Nebengebäuden sahen aus, als benötigten sie dringend neue Dächer. Aber was Leah am meisten auffiel und ihren Blick festhielt, war das Chaos, das in der Nähe eines halbbeladenen Prärieschoners herrschte. Aus dem Durcheinander von Stimmen, Kisten und Tieren kam Kimberly auf Wes zugerannt.
»Oh, Wesley, mein Liebster!« rief sie. »Du mußt uns helfen! Steven weigert sich, alle meine Kleider und die schönen Sachen mitzunehmen, mit denen ich unser Haus einrichten wollte, bitte, rede du doch mal mit ihm!«
Wesley sprang vom Kutschbock, strich mit dem Handrücken rasch und liebevoll über ihre Wange und ging dann zu dem anderen Planwagen hinüber. Leah mußte sich selbst helfen, wenn sie vom Wagen steigen wollte.
Als sie den anderen Wagen erreichte, wurde ihr sofort klar, was da nicht stimmte; aber als sie dann am Rand des Durcheinanders entlangging, wollte sie ihren Augen nicht trauen. Kisten und Kasten waren ohne Sinn und Plan auf den Wagen geworfen worden. Eine Hutschachtel war unter einen fünfzig Pfund schweren Getreidesack geklemmt, eine mit Stahlbändern beschlagene Kiste ruhte auf den dünnen Lehnen eines vergoldeten Stuhls.
»Du siehst doch, daß kein Platz mehr auf dem Wagen ist«, rief eine Männerstimme auf der anderen Seite des Prärieschoners.
Leah ging in die Hocke und erhaschte durch die Lehnen des Stuhls einen Blick auf Steven Shaw. Er sah ebenso berückend aus wie seine teure Schwester — blond, blauäugig, einen Spalt im Kinn, einfach perfekt.
»Wesley, mein Lieber«, sagte Kim, »du mußt eine Möglichkeit finden. Ich kann unmöglich etwas zurücklassen. Du willst doch nicht, daß ich
Weitere Kostenlose Bücher