Dieses heiß ersehnte Glueck
immer brav für Travis gearbeitet; aber um ihm zu entrinnen, hatte er weite Reisen durch die ganze Welt unternommen. Er hatte aus dem Hausschuh einer schönen Frau in Paris Champagner getrunken; er hatte ein Verhältnis mit einer Herzogin in England angefangen; und in Italien hatte er sich beinahe unsterblich in eine schwarzhaarige Sängerin verliebt.
Am Ende hatte Wesley erkannt, daß er sich nur selbst etwas vormachte. Er war ein Farmer und würde sich nie wohl fühlen, wenn er nicht auf der eigenen Scholle leben konnte. Kaum war er jedoch wieder zu Hause, als Travis schon fünf Minuten nach seiner Ankunft begann, ihm Befehle zu erteilen. Deshalb hatte Wesley beschlossen, die Plantage für immer zu verlassen. Er hatte gehört, daß es in dem neuen Staat Kentucky fettes, fruchtbares Land gäbe, und so reiste er dorthin, um sich davon zu überzeugen. Er mochte diesen Staat und die Leute die dort lebten - Menschen, die ein Gespür dafür besaßen, daß die Zeiten sich wandelten und die Dinge sich veränderten.
Er kaufte dort mehrere hundert Morgen Land in der Nähe einer kleinen Stadt namens Sweetbriar, reparierte das Haus, das jemand vor Jahren auf dem Land gebaut hatte, und kehrte zum letztenmal nach Virginia zurück.
Aber kaum war er zurückgekommen, als sich sein Leben von Grund auf veränderte: er lernte Kimberly Shaw kennen. Zum erstenmal hatte Wes das Gefühl, daß ihm eine wahrhaftige Frau begegnet sei, eine Frau, die stolz war, eine Lady zu sein. Kimberly konnte keine Kontobücher lesen, ja, sie konnte nicht einmal richtig reiten. Wovon Kim etwas verstand, waren Näharbeiten, das Pressen von Blumen und mit welcher Farbe man ein Haus anstreichen sollte. Vor allem aber, wie man zu einem Mann aufschaute und ihm das Gefühl vermittelte, wirklich ein Mann zu sein!
Wesley begann davon zu träumen, wie er von seinen
Feldern in das hübsche kleine Haus zurückkehrte, das Kimberly für ihn schmücken würde; wie er abends seinen Kopf in ihren Schoß legte und sich bei ihr von den Anstrengungen des Tages erholen würde. Zweifellos würde es jeden Tag ein Dutzend Krisen im Haushalt geben, die Wesley alle würde aus der Welt schaffen müssen. Kimberly brauchte ihn eben. Zum ersten Male in seinem Leben hatte Wesley das Gefühl, daß er gebraucht wurde und nicht nur einer von vielen war, die einen starken Rücken besaßen und beliebig ausgetauscht werden konnten. Wenn Kimberly zu ihm aufschaute, hatte Wesley das Gefühl, so groß wie ein Berg zu sein.
Jeder warnte ihn, daß Kimberly hilflos sei; doch niemand verstand, daß es eben diese Eigenschaft war, die ihn so zu ihr hinzog. Er wollte keine Frau haben, die so vollkommen war wie sein Bruder Travis, eine Frau, die mit einer Hand eine Plantage leitete und mit der anderen Hand ihre Kinder aufzog. Kimberly war weich, süß, klammerte sich an ihn und mußte vor den Härten des Lebens beschützt werden.
Und nun hatte er sie verloren! In diesem Winter, als er auf seiner neuen Farm so hart gearbeitet hatte, hatte er täglich seinen überstürzten Entschluß bereut, dieses Simmons-Mädchen geheiratet zu habe. Er kannte die Geschichte, daß sie auf der Farm ihres Vaters ausgeharrt hatte, obwohl sie von dem Alten mißhandelt wurde. Statt wegzulaufen, war sie treu bei ihren jüngeren Geschwistern geblieben und hatte wie ein Pferd geschuftet. . .
Wes war überzeugt, daß sie ein Musterbild an Tugenden sei. Wenn er plötzlich sterben und ihr seine Farm in Kentucky hinterlassen würde, könnte sie diese zweifellos ganz allein bewirtschaften, dazu noch viel besser, als er es vermochte. Aber was keiner zu begreifen schien, wenn sie ihm »zu seinem eigenen Vorteil« von Kim, diesem hilflosen Schmetterling, abrieten, war die Tatsache, daß er sich genauso ein Wesen schon immer als Frau gewünscht hatte!
Er zerknüllte seinen Hut und legte die Hand auf den Türknopf. Was für ein Mädchen diese Leah auch sein mochte: Sie war seine Frau und konnte daher gewisse Forderungen an ihn stellen! Vielleicht hatte sie sich vorsätzlich an seinen Hals geworfen, vielleicht hatte sie sich damit einen Anspruch auf sein Geld verschaffen wollen; aber da er so dumm gewesen war, auf ihre Tricks hereinzufallen, verdiente er auch, was er bekommen hatte.
»Gott behüte mich vor klugen Frauen«, betete er leise, als er auf die Suche nach Leah ging.
Kapitel 6
Keine zwei Minuten war es her, daß Leah Wesley in der Bibliothek zurückgelassen hatte, als sie am ganzen Körper zu zittern begann. Zunächst
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