DIESES MAL IST ALLES ANDERS
sind, macht die beiden Ansteckungswege deutlich: grenzüberschreitende Verknüpfungen und gemeinsame Schocks. Zweifelsohne sprang die US-Finanzkrise von 2007 über direkte Verknüpfungen auf andere Länder über. Zum Beispiel suchten deutsche und japanische Finanzinstitute (sowie andere Finanzinstitute, die bis nach Kasachstan reichen) attraktivere Renditen auf dem US-Subprime-Markt, möglicherweise aufgrund der Tatsache, dass die Gewinnchancen auf dem einheimischen Immobilienmarkt bestenfalls begrenzt und schlimmstenfalls jämmerlich waren. Nach Ausbruch der Krise wurde in der Tat deutlich, dass viele Finanzinstitute außerhalb der USA in erheblichem Umfang im US-Subprime-Markt investiert waren. 6 Dies ist ein klassischer Übertragungs- beziehungsweise Ansteckungsweg, über den eine nationale Krise auf andere Länder überspringt. Im gegenwärtigen Kontext sind Ansteckungseffekte allerdings nur ein Teil der Geschichte.
Dass zahlreiche andere Länder zur gleichen Zeit wie die USA wirtschaftliche Schwierigkeiten hatten, hat ebenfalls ganz erheblich damit zu tun, dass viele der Merkmale, welche die Entwicklungen im Vorfeld der US-Subprime-Krise kennzeichneten, auch in anderen entwickelten Ökonomien zu beobachten waren. Zwei gemeinsame Elemente stechen dabei hervor. Erstens hatten zahlreiche Länder in Europa und anderen Teilen der Welt (Island und Neuseeland zum Beispiel) ihre eigene hausgemachte Immobilienblase (Abbildung 15.1). Zweitens waren die USA nicht das einzige Land mit einem riesigen Leistungsbilanzdefizit und einer anhaltenden »Kapitalstrombonanza«, wie in Kapitel 10 dargestellt. Bulgarien, Irland, Island, Lettland, Neuseeland, Spanien und Großbritannien – neben anderen Ländern – importierten Kapital aus dem Ausland, das dem Kredit- und Assetpreisboom Nahrung bot. 7 Diese Trends an sich machten die Länder für die üblicherweise schweren Konsequenzen von Zusammenbrüchen der Assetpreise und eine Umkehr des Kapitalstroms – »Sudden Stops« à la Dornbusch/Calvo – anfällig, unabhängig von den Ereignissen in den USA.
Direkte Übertragungseffekte durch ein ausgeprägtes Engagement im US-Subprime-Markt sowie gemeinsame Grundlagen wie die hier besprochenen wurden von anderen »Standard«-Übertragungsmechanismen ergänzt, die in derartigen Episoden üblich sind, vor allem die Häufigkeit gemeinsamer Kreditgeber. Zum Beispiel wird eine österreichische Bank,
Abbildung 15.1 Prozentuale Veränderung der realen Immobilienpreise, 2002–2006
Quellen: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich sowie die in Anhang A.1 genannten Quellen.
Anmerkung: Die Daten zu China beziehen sich auf die Jahre 2003 bis 2006.
die Kredite an Ungarn vergeben hat, nicht nur den Kreditfluss in Richtung Ungarn stoppen (wenn dieses Land in schwere wirtschaftliche Turbulenzen gerät), sondern auch die Kreditvergabe an andere Länder zurückfahren (vor allem an osteuropäische Länder), in welche die Bank bereits investiert war. Das führt zu einer Übertragung des »Schocks« von Ungarn (über einen gemeinsamen Kreditgeber) auf andere Länder. Eine ähnliche Rolle spielte eine japanische Bank als gemeinsamer Kreditgeber in der internationalen Übertragung der Asienkrise von 1997 bis 1998 sowie die US-Banken während der lateinamerikanischen Schuldenkrisen Anfang der 1980er-Jahre.
Stehen uns weitere Ansteckungseffekte bevor?
Wie zuvor erwähnt, findet die Ansteckung durch ein Überschwappen der Krise nicht unbedingt mit der gleichen hohen Geschwindigkeit statt, die mit den unangenehmen Überraschungen und »Sudden Stops« im Finanzmarkt assoziiert werden. Daher führt diese Form der Ansteckung nicht automatisch zu unmittelbaren negativen bilanziellen Konsequenzen. Ihre allmähliche Entwicklung macht ihre kumulativen Effekte jedoch nicht weniger schwerwiegend.
Die vergleichsweise offenen und historisch schnell wachsenden Ökonomien Asiens wurden, nachdem sie sich anfangs relativ gut behauptet hatten, schließlich von den Rezessionen der letzten Jahre in den entwickelten Ökonomien sehr schwer getroffen. Die asiatischen Ökonomien sind stärker exportabhängig als Länder in anderen Regionen, vor allem bestehen ihre Exporte zum großen Teil aus Fertigwaren, was die weltweite Nachfrage nach ihren Produkten im Verhältnis zur Nachfrage nach Primärrohstoffen ausgesprochen einkommensabhängig macht.
Die osteuropäischen Länder sind zwar nicht ganz so exportabhängig wie die Länder Asiens, aber auch sie wurden von den
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