DIESES MAL IST ALLES ANDERS
Schlag, da die Regierungen oft nicht der Versuchung widerstehen konnten, die Inflation zu steigern (was gelegentlich in einer Hyperinflation endete). In den Jahren, die der Hyperinflation von 1989 bis 1990 folgten, betrugen Perus Inlandsschulden zum Beispiel 10 bis 20 Prozent seiner gesamten Staatsschulden. Das war jedoch nicht immer so. Die frühen Daten des Völkerbunds zum Ende des Ersten Weltkriegs zeigen, dass Perus Inlandsschulden damals rund zwei Drittel seiner Staatsschulden ausmachten, wie es zu jener Zeit auch in vielen anderen lateinamerikanischen Ländern der Fall war. In den 1950er-Jahren war der Anteil sogar noch höher, als die internationalen Finanzinstitute relativ wenig Auslandskredite vergaben.
Laufzeiten, Renditen und Währungszusammensetzung der Inlandsschulden
Neben der Darstellung, dass die Inlandsschulden einen großen Anteil an der gesamten Staatsverschuldung ausmachen, haben die Daten auch dem Glauben ein Ende gesetzt, dass Schwellen- und Transformationsländer (und Entwicklungsländer) bis vor Kurzem gar nicht in der Lage waren, langfristige Schulden aufzunehmen. Wie Abbildung 7.4 zeigt, machen langfristige Schulden bei vielen Ländern unserer Auswahl einen großen Anteil am gesamten Schuldenbestand aus, zumindest in der Zeit von 1914 bis 1959. Für diesen Zeitraum liefert die Datenbank des Völkerbunds/der Vereinten Nationen wichtige Details über die Laufzeitstruktur dieser Schuldenemissionen. Vielen Lesern mag es überraschend erscheinen (so wie es uns erging), dass der moderne Trend zu kurzfristigen Schulden ein relativ junges Phänomen ist – offensichtlich ein Produkt der »Inflationsmüdigkeit« der 1970er- und 1980er-Jahre.
Abbildung 7.4 Anteil der langfristigen Inlandsschulden: alle Länder und Lateinamerika, 1914–1959
Quellen: Völkerbund, Vereinte Nationen sowie weitere in Anhang A.2 genannte Quellen.
Ebenfalls nicht besonders neu war die Tatsache, dass zahlreiche Schwellen- und Transformationsländer im Jahrzehnt vor der Finanzkrise von 2007 begannen, marktorientierte Zinsen auf ihre Inlandsschulden zu zahlen. In der Nachkriegsära übten viele Regierungen eine repressive inländische Finanzmarktpolitik aus, indem sie neben anderen Methoden, wie einer gelenkten Kreditvergabe und bestimmten Mindestanforderungen für die Aufnahme von Staatsanleihen in das Portfolio von Pensionsfonds und Geschäftsbanken, die Zinsdeckel für Bankeinlagen niedrig hielten und hohe Mindestreserveanforderungen an Banken stellten. Die Daten über die Zinssätze für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts zeigen allerdings, dass die Finanzrepression weder ausgesprochen groß noch wirklich universell verbreitet war. Wie Tabelle 7.1 für die Jahre von 1928 bis 1946 (der Zeitraum, für den unsere Daten am vollständigsten sind) zeigt, waren die Zinssätze auf Inlands- und Auslandsanleihen ähnlich hoch, was die Vermutung unterstützt, dass die Zinssätze auf Inlandsschuldtitel marktbestimmt waren beziehungsweise bis zu einem gewissen Grad die Marktkräfte widerspiegelten.
Ein abschließendes Thema hat mit dem Grad der Inflation beziehungsweise der Fremdwährungsindexierung zu tun. Viele Beobachter betrachten Mexikos berühmte Emission dollargebundener Inlandsanleihen zu Beginn der 1990er-Jahre (die sogenannten Tesobonos ) als große Innovation. Damals glaubte man, dieses Mal sei wirklich alles anders. Heute wissen wir, dass die Situation keineswegs neu war: Ende der 1800er-Jahre hatte Argentinien Inlandsanleihen begeben, die auf britische Pfund lauteten, und Thailand hatte in den 1960er-Jahren eine dollargebundene Inlandsanleihe emittiert. (Siehe Infobox 7.1 zu den Fallstudien und die Anhänge in Bezug auf die Quellen.) 3
TABELLE 7.1
Zinsen auf Inlands- und Auslandsschulden, 1928–1946
Zinssätze (in %)
Land
Emission von Inlandsanleihen
Emission von Auslandsanleihen
Ägypten
2,5–4,5
3,5–4
Argentinien
3–6
3,5–4,5
Australien
2–4
3,375–5
Belgien
3,5–5
3–7
Bolivien
0,25–8
6–8
Brasilien
4–7
4–7
Bulgarien
4–6,5
7–7,5
Chile
1–8
4,5–7
Costa Rica
6
5–7,5
Dänemark
2,5–5
4,5–6
Deutschland
3,5–7
5,5–6
Ecuador
3
4–8
Finnland
4–5,5
2,5–7
Griechenland
3–9
3–10
Großbritannien
1,5–4
Keine vermarktbaren Auslandsschulden
Indien
3–5,5
3–5,5
Italien
3,5–5
Keine Auslandsschulden
Japan
3,5–5
4–6,5
Kanada
1–5,5
1,25–5,5
Kolumbien
3–10
3–6
Neuseeland
2,5–4
2½–5
Nicaragua
5
4–5
Niederlande
2,5–6
Keine
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