DIESES MAL IST ALLES ANDERS
betroffen. Vor dem Zweiten Weltkrieg waren die entwickelten Ökonomien mit ihren komplizierteren Finanzsystemen sogar anfälliger für Bankenkrisen als zahlreiche kleinere Länder mit niedrigem Einkommen. 13 Natürlich lässt sich plausibel argumentieren, dass kleinere Länder ausländische Kreditgeber zu ihren Banken machten und die Serie von Zahlungsausfällen bei Auslandsschulden dieser Länder möglicherweise inländische Bankenkrisen gewesen wären, wenn die Finanzsysteme der Schuldnerländer höher entwickelt gewesen wären.
TABELLE 10.6
Übersicht über Auftreten und Häufigkeit von Bankenkrisen, 1945 (beziehungsweise Jahr der Unabhängigkeit) bis 2008
Region oder Gruppe
Anteil an Jahren in einer Bankenkrise seit dem Jahr der Unabhängigkeit beziehungsweise seit 1945
Zahl der Bankenkrisen
Afrika
12,3
1,3
Asien
12,4
1,8
Europa
7,1
1,4
Lateinamerika
9,7
2,0
Argentinien, Brasilien und Mexiko
13,5
3,0
Nordamerika
8,6
1,5
Ozeanien
7,0
1,5
Entwickelte Ökonomien
7,2
1,4
Schwellen- und Transformationsländer
10,8
1,7
Quellen: basieren auf den Tabellen 10.1-10.4
Anmerkungen: Zu den entwickelten Ökonomien zählen Japan, Nordamerika, Ozeanien und alle europäischen Länder, die nicht zu den nachfolgend aufgeführten Schwellen- und Transformationsländern Europas gehören. Zu den Schwellen- und Transformationsländern zählen Afrika, alle asiatischen Länder außer Japan, Lateinamerika und die aufstrebenden Ökonomien Europas (Polen, Rumänien, Russland, Ungarn und die Türkei).
Bankenkrisen, Kapitalmobilität und Finanzliberalisierung
Auch die auffällige Korrelation zwischen der größeren Kapitalmobilität und der Auftretenshäufigkeit von Bankenkrisen, wie in Abbildung 10.1 dargestellt, steht im Einklang mit der modernen Krisentheorie. Diese Abbildung enthält die aggregierten Zahlen. Wenn man diese jedoch auf Regionen oder auf Länderebene herunterbricht, wird die Aussage der Abbildung noch deutlicher. Perioden ausgeprägter internationaler Kapitalmobilität haben wiederholt internationale Bankenkrisen ausgelöst, nicht nur die bekannten Krisen der 1990er-Jahre, sondern auch Krisen im Verlauf der gesamten Geschichte. Die rechte Skala in Abbildung 10.1 gibt den beweglichen Durchschnittswert über einen Dreijahreszeitraum des Anteils aller Länder wieder, die in eine Bankenkrise gerieten. Die linke Skala bildet den Index der internationalen Kapitalmobilität ab, und zwar unter Verwendung desselben Konzeptionsprinzips, das Obstfeld und Taylor verwendet haben, das von uns allerdings aktualisiert wurde, wobei wir zeitlich weiter ausgeholt haben, um den gesamten Betrachtungszeitraum unserer Stichprobe abzudecken. 14 Zwar mag der Obstfeld-Taylor-Index seine Beschränkungen haben, dennoch bietet er nach unserer Auffassung einen prägnanten Überblick über komplizierte Kräfte, indem er die De-facto-Kapitalmobilität auf Basis der tatsächlichen Kapitalströme betont.
Abbildung 10.1 Kapitalmobilität und das Auftreten von Bankenkrisen: alle Länder, 1800–2008.
Quellen: Kaminsky und Reinhart (1999); Bordo et al. (2001); Obstfeld und Taylor (2004), Caprio et al. (2005) sowie Berechnungen der Autoren.
Anmerkungen: Diese Stichprobe beinhaltet alle Länder (auch diejenigen, die nicht zu unserer Kernauswahl der 66 Länder gehören). Die vollständige Aufzählung der Daten der Bankenkrisen ist in den Anhängen A.3 und A.4 enthalten. Diese Abbildung zeigt, dass sich die Aktienkurse schneller wieder erholen als der Immobilienmarkt. Auf der linken Skala haben wir unseren bevorzugten Kapitalmobilitätsindex aktualisiert – zugegebenermaßen vereinfacht, aber er bietet einen prägnanten Überblick über komplizierte Kräfte. Die gestrichelte Linie zeigt den von Obstfeld und Taylor (2004) präsentierten Kapitalmobilitätsindex, erweitert auf den Zeitraum von 1800 bis 1859, und zwar unter Verwendung der von Obstfeld und Taylor entwickelten Konzeptionsprinzipien.
Für die Zeit nach 1970 haben Kaminsky und Reinhart den Zusammenhang zwischen Krisen und Finanzliberalisierung nachgewiesen. 15 In 18 der 26 von ihnen untersuchten Bankenkrisen wurde der Finanzsektor in den vorhergehenden fünf Jahren – üblicherweise waren es sogar weniger als fünf – liberalisiert. In den 1980er- und 1990er-Jahren wurden die meisten Liberalisierungsepisoden mit unterschiedlich schweren Finanzkrisen assoziiert. Nur in wenigen Ländern (zum Beispiel Kanada) ging die Liberalisierung des Finanzsektors reibungslos vonstatten. Ganz konkret liefern
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