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Diesseits Des Mondes

Diesseits Des Mondes

Titel: Diesseits Des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asta Scheib
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sich.
     
    Birke half im Redaktionssekretariat aus, schrieb Artikel ab, manchmal auch einen, den Michael recherchiert hatte. Hier bewunderte ihn Birke, entzifferte seine Schrift mit Geduld. Michael konnte noch nicht Maschineschreiben. Birke hatte es in der Volkshochschule gelernt, da sie schon früh Geld verdienenmusste. jjjleerkkkleer, iiileer, das ist ganz leicht, sagte sie freundlich zu Michael.
    Michael sah in allen Mädchen nur noch Birke. Er fühlte sich komplett, wenn sie in seiner Nähe war. Die Sonntage, wenn Michael Dienst hatte und Birke nicht, waren für ihn ein Verzicht, den er schwer ertrug. Ihm war, als könne er ohne Birke nichts mehr hören, sehen, riechen, schmecken. Dabei ging Birke mit Klaus-Rainer, was Michael als Widersinn begriff, aber wohl nicht ändern konnte. Oder doch?
    Er lieh sich bei seiner Mutter Geld, kaufte Birke ein kleines Radio. Er schenkte ihr innerhalb einer Woche eine rote Briefmappe, Saffian, eine Buchhülle, Nappa, schließlich den üppigsten Petticoat aus der Kölner Hohe Straße. Nylon. Du spinnst, sagte Birke und stieg schon hinein in den Rüschenrausch, den schönsten, den sie je gesehen hatte. Die Kollegen in der Redaktion waren wohlwollend gegenüber diesen Kaskaden aus Nylontüll, zwanzig Bahnen feinster Rüschen. Schallplatten wechselten von Michael zu Birke, Elvis Presley wurde Michaels Werbemanager, Bill Haley schwenkte für ihn die Fahne. Bald fuhr Birke mit Michael zur Aggertalsperre, der Hund Axel saß auf dem Rücksitz. Die Welt ist schön, Mylord. Irgendwann erlosch Birkes Feuer für Klaus-Rainer, der sein Feld als Jungfrauenhüter verlassen fand. Ein neues Leben musste beginnen. Michael hatte über Birke den Elefanten fast vergessen.
     
    Birke war jetzt Michaels Mädchen. In allem, was er tat, war Birke gegenwärtig. Sah er andere Mädchen, sehnte er sich noch mehr nach Birke. Die Stunden in der Redaktion waren nicht genug. Immer, überallwollte Michael mit ihr zusammen sein. In der Wohnung von Birkes Großmutter, die im Krankenhaus lag, gossen sie die Blumen. Hier, auf einem der Stühle mit dem abgeschabten Leder und den gedrechselten Lehnen saß Michael und flocht Zöpfe in die Fransen der lilagoldenen Tischdecke. Lilagolden war Michael zumute. Er wartete auf Birke, die sich im Schlafzimmer der Großmutter auszog. Nicht bei Michael wollte sie das tun, nein, nebenan, unbedingt nebenan. Mach jetzt die Augen zu, rief Birke, und dann stand sie ganz nah, Michael roch ihre Haut, die, sechzehnjährig, noch Schrammen hatte an den Knien und weiche Härchen in den Mulden. Die Brüste waren hoch, hell und fest. Michael drängte sein Schluchzen zurück in den Hals. Er gelobte Birke Keuschheit bis zum Altar und Liebe bis in den Tod. Er würde sie aus brennenden Flugzeugen erretten und aus den Kajüten sinkender Schiffe, vor dem angreifenden Bullen auf der Weide und vor dem Vergewaltiger in den Wirren neuer Kriege.
     
    Ist sie blind, lahm oder taub, hatte der Elefant gefragt, als er von Birke hörte. Birke war schon öfter in der Villa gewesen, wenn der Elefant nicht daheim war. Birke kam gern mit freundlichen Grüßen von ihrer Mutter, die, noch zweifelnd zwar, in ihrer Tochter die Chance sah, das ungerechte Schicksal von der eigenen Familie zu wenden. Birkes Vater, ein, wie es hieß, hohes Tier der SS, fand sich nach dem Krieg mit seiner Familie in einem Hühnerstall wieder, den mitleidigschadenfrohe Verwandte ihm überlassen hatten. Im Hühnerstall war jedoch kein Platz für drei. Darum zog Birkes Vater seine Konsequenz. Er hatte sich im dichtesten Forst von Beuel erhängt. Birkes Mutter, vonheute auf morgen ohne Pelze und Ringe, ohne Dienstmädchen und Daimler, besann sich auf ihre lange Jahre kaschierte Existenz als Schneiderin, die sie dazu benutzte, die einzige Tochter mit Fetzen aufzuputzen, die man ihr überließ. Darüber hinaus schaffte sie es, sich in das große Herz der Pfarrersfrau hineinzunähen, die, kränklich zwar, doch eine Schar Flüchtlingskinder zu bekleiden hatte, die ihr bei Kriegsende zugelaufen waren. Birke und ihre Mutter fanden schließlich auch noch im Pfarrhaus Aufnahme und Wohnung. Zu dem Zeitpunkt, als Michael Birke kennen lernte, war der Hühnerstall fast vergessen, und in Berghausen war ohnehin nur bekannt, dass Birkes Mutter dem verwitweten Pastor von G. den Haushalt führte. Michaels Mutter war wohl die Einzige, die Birkes Vater und dessen schmähliches Ende kannte. In ihr klangen verwandte Saiten, die es ihr umso leichter machten,

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