Diesseits Des Mondes
Diabetes, durfte nicht mehr das Essen wahllos in sich hineinschaufeln, den Wein nicht mehr einlitern. Michael hatte das Gefühl, als gönne der Elefant die Mahlzeiten seines Stiefsohnes eher dem Abfalleimer.
Zu Michaels Überlebensstrategie gehörte es, sich einzureden, dass er seine Mutter nicht im Stich lassen dürfe. Bitte, tu mir das nicht an, Michael, sagte sie denn auch oft. Er sah, dass der Elefant seine Mutter beiseiteschob wie einen Vorhang. Er sah, dass es den Elefanten ekelte, aus der Hand seiner Frau ein Stück Fleisch zu kosten. Er sah, dass er dicht vor ihr die Tür verschloss. Michael wusste nicht, wen er mehr hasste, den Elefanten oder seine Mutter, die ihrem Mann offenbar hündisch ergeben war. Was du lebst und atmest, ist doch von mir, sagte der Elefant. Wenn er mit seiner Frau bei ständig neuen Freunden zechte,riss er immer denselben Witz. Er habe seine Frau durch ein Eheanbahnungsinstitut gefunden, erzählte er dann. Damals habe er noch nicht so viel Geld gehabt und daher im Album der Schönen hinten bei den billigeren Plätzen angefangen. Da habe schon Marmelade zwischen den Seiten geklebt, weil einer der Heiratslustigen offenbar ein Marmeladenbrot beim Suchen gekaut habe. Ausgerechnet auf dieser Seite habe er Helene gefunden. Dem Marmeladenbrotkauenden habe sie offenbar nicht gefallen.
Was Michael betraf, sagte der Elefant allen, die das noch nicht wussten: Der ist nicht von mir. Michael versuchte, seinen Großvater nachzuahmen. Denn der nahm vom Elefanten die dicken Zigarren und ließ sich auch von ihm zum Essen einladen. Aber er gönnte dem Schwiegersohn kein Lächeln, kein freundliches Wort. Doch der Elefant erzählte in der Kneipe, dass sein Schwiegervater der einzig Vernünftige in seiner angeheirateten Familie sei. Michaels Großvater hatte die Heirat seiner Tochter zum Anlass genommen, Tante Florfina zu heiraten. Sie war in allem schneller auf den Beinen als ihr Mann. Wenn der Großvater ihr die Zähne zeigen wollte, musste er sie aus dem Mund nehmen. Das sagte der Elefant und lachte über seinen Witz.
Die Leute im Ort gönnten es Lene Krug, dass es nicht stimmte bei denen. Helene hieß sie jetzt, trug Pelze und Modellkleider, fuhr dauernd nach Köln, verkehrte in teuren Lokalen. En Buer is en Buer, un wenn er mit dem Zylinder int Bett jeht. Michael, der über Tante Flora alles erfuhr, sah das vergebliche Bemühen seiner Mutter. Sie wollte keinen Abstand zu den Leuten im Ort. Sie wollte in der Villa des Elefantenleben und im Herzen der Leute. Je brutaler der Elefant sie verstieß, desto heftiger klammerte sie sich an Menschen, zu denen sie früher nie hatte gehören wollen. Sie brachte Kleider und Anzüge in die Klemm, wo die Kinderreichen wohnten, die keine Miete zahlen konnten. Wo sie hörte, dass Hilfe nottat, war seine Mutter da. Die Leute nahmen auch alles, doch ihre Blicke blieben scheel. Der Elefant, ja, der war ein Unternehmer, von Haus aus reich, ihn erkannten sie an, aber Lene, die hatte ihn mit der Schnitte Brot aus dem Urwald gelockt.
Angeboren von unten rauf. Als abends das Telefon schellte, hatte sich Michael, im Glauben, dass seine Mutter und der Elefant ausgegangen seien, mit dem Firmennamen gemeldet. Da war plötzlich der Elefant aus seinem Arbeitszimmer geschossen, brüllend: Untersteh dich ja nicht, dich mit meinem Namen zu melden. Mein Sohn ist im Krieg gefallen, und sonst habe ich keinen Sohn.
In Michaels Kopf rotierten alle Gemeinheiten des Elefanten gegen seine Mutter, die Demütigungen und Verhöhnungen standen stets oben an der Tagesordnung. Der Elefant erschien ihm wie eine einzige furchtbare Drohung, er war das schlimmste Ungeheuer in dem Marionettentheater, als das Michael sein Leben ansah. Alle hingen an den Schnüren, auch die Lehrer, seine Mitschüler im Internat. Hackordnung des Lebens. Der, der Geld hat, hat auch Recht, überall hatte der Elefant recht. Wenn Michael ihn, den völlig Betrunkenen, frühmorgens um vier aus einer Kneipe abholen musste, hatte der Elefant Recht. Wenn Michael Sonntagsdienst in der Montage machte, hatte derElefant Recht. Wenn Michael auf keinem Familienfoto zu sehen war, hatte der Elefant Recht. Der Elefant lutschte Michael aus wie eine Zitrone, um sie angewidert wegzuwerfen. Ein prächtiger Junge, Ihr Junior, sagten manchmal Geschäftsfreunde. Eilig der Elefant: Der ist nicht von mir, dann sähe er anders aus.
Ich scheiß auf deinen Namen, schrie Michael den Elefanten an, ich scheiß auf deinen Namen, mein Vater war
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