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Diesseits Des Mondes

Diesseits Des Mondes

Titel: Diesseits Des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asta Scheib
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zurückholen, wollte alles holen, was er Liddy gegeben hatte und Maja und Corinne, ich glaubte ja noch, es gehöre mir. Als Mauritz auf die Welt kam, glaubte ich, jetzt seien wir vier untrennbar vereint. Zwei Kinder, Mann und Frau, zwei Mütter, eine Arche Noah für meine Ängste vor der Sintflut, die wegzuspülen drohte, was ich gerade erst gefunden hatte. Doch Michael kam und ging, meistens ging er. Kommilitonen, von denen einige der Außerparlamentarischen Opposition angehörten oder wenigstens ihre Thesen inhalierten, Freunde von Michael machten mir Vorwürfe. Du bist spießig, sagten sie, du willst Michael unterdrücken, du hast ihn doch nicht gekauft, er kann doch machen, was er will, er kann auch ins Bett gehen, mit wem er will. Damals hieß es: Wer dreimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment. Ich ließ Michael gehen, allein zum Fasching, allein zum Skifahren, mal eine Woche in den Süden. Mit den Kommilitonen, hieß es, da war ständig Neues, das unsere Ehe aus dem Takt brachte. Ich wollte tolerant sein, Michael nicht einengen, ich spielte die Souveräne und saß heulend daheim. Für Michael verwandelte ich mich, glaube ich, in ein Stück unserer Einrichtung, in einen Schrank oder in einen Tisch, den man benutzt. Michael sah mich nicht mehr an. Kam er heim, schmuste er mit den Kindern, ihnen brachte er oft etwas mit, Obst, Lollis, Eis. Ich hatte begonnen, unser Zusammenlebenwie ein Zuschauer von außen zu sehen. Es gab Tage, da hat Michael nicht Guten Morgen gesagt, nicht Guten Abend, nur einmal sagte er, ich solle den Föhn nicht ins Waschbecken legen. Idiotisch?
    Immer wieder versuchte ich, Nähe herzustellen. Morgens, wenn ich wach wurde, legte ich mich nah zu ihm, streichelte, was ich erreichen konnte. Er rührte sich nicht einmal, manchmal wandte er sich sogar ungehalten ab. Dann glaubte ich, dass ich sterben wollte. Es gab immer öfter Streit, bittere Ausbrüche meinerseits, die Michael zurückwies. Du treibst mich in die Enge, du kannst nichts anderes als mich kritisieren, damit wehrte er sich. Ich schrieb ihm Briefe, dann war er für eine Minute berührt, doch Stunden später sagte er zynisch, dass er sich ja ständig ändern solle. Dass er auch seine Würde habe. Ich stellte fest, dass er immer meine Worte benutzte, mich förmlich an meinen eigenen Argumenten aufhing.
    Sharon, sagte Birke erschöpft, Sharon, ich könnte dir über die Szenen unserer Entfremdung Stunde um Stunde berichten, ich könnte dir erzählen, wie ich begann, mich aus dieser Kälte loszureißen, ich spürte, wie Michael mich klein machte, mich zu einem misstrauischen, keifenden Zerrbild meiner selbst machte. Ich machte teuflische Proben aufs Exempel, die nur mir wehtaten. Ein Experiment ging so: Was passiert, wenn ich einen Tag lang Michael nicht anspreche? Nichts passierte, wir sprachen eben nicht miteinander, basta. Michael fiel es nicht auf. Er lebte in der Uni, später in seiner Redaktion, mit Freunden, mit anderen Frauen, für andere Frauen. Auch meine Freundinnen waren von ihm eingenommen, sie lasen seine Artikel, einfühlsame Reportagen über Menschen im Alltag,damit fing Michael seine Redakteurslaufbahn an. Es war, zumindest für mich, als verströme Michael seine Sensibilität, seine Fantasie, seine Begeisterungsfähigkeit, seine Kreativität in ein Leben, das sich außerhalb des unseren abspielte. Es war, als würde meine Haut immer dünner, bald hatte ich keine Haut mehr, zumindest empfand ich die Existenz Michaels für mich so schmerzhaft, sie tat mir jeden Tag neu weh, drang durch meine Poren wie mit stumpfen Nadeln. Schließlich konnte ich es nicht mehr aushalten, wenn er mich berühren wollte. Wenn er nur neben mir saß, bildete sich in meinem Hals ein Kloß, den ich weder schlucken noch ausspucken konnte.
     
    Es war Sharon, als sehe sie Birke zum ersten Mal. Wie konnte sie derart selbstsicher durch die Redaktion schreiten, Wärme und Tatkraft ausstrahlen? Sharon hatte gespürt, dass Birke dort anerkannt war. Wie konnte sie anderen Wärme geben, wo sie selbst allein gelassen war. Es schien Sharon aus jedem Wort Birkes die Liebe zu Krug zu dringen. Warum sonst war sie so lange bei ihm geblieben? Sharon sprach diese Frage aus, und Birke war darauf vorbereitet. Sie hatte sich diese Frage oft gestellt, immer wieder. Sie hatte versucht, sich selbst zu erklären, warum sie sich von Krug trennen wollte, und es dann doch wieder nicht tat. Vielleicht, sagte Birke bitter zu Sharon, vielleicht wollte ich es

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