Diesseits Des Mondes
Geräusch ihrer Schritte schluckten. Renate, so hieß die C. v. D., schien jetzt, da sie sich für Sharon entschieden hatte, diese auch mit einer Art Befriedigung vorzuführen. Fast triumphierend schob sie Sharon in die einzelnen Redaktionsräume, schrie den darin telefonierenden oder schreibenden Frauen zu, dass dies Sharon sei, die jetzt Bildbeschaffung mache. Dann blieb sie einige Sekunden neben Sharon stehen, als weide sie sich an den Blicken der anderen. Sharon glaubte, Misstrauen zu sehen, Freundlichkeit auch, sie, Sharon, würde sich nicht erlauben, sonderlich darauf zu achten. Sie brauchte eine Arbeit, ein Schutzschild, das die Vergangenheit verdeckte und ihr in der Zukunft keine Blöße mehr gab. Hier, in der gläsernen Transparenz dieses Verlagshauses, sollte ihre Zukunft in Deutschland beginnen. Alles Frühere musste Vergangenheit sein, warschon längst Vergangenheit. Sharon hatte alles zerstört, um für Alexander Neues aufzubauen. Ich fege deine Vergehen hinweg wie eine Wolke und deine Sünden wie Nebel, so steht es geschrieben. Sharon fühlte sich mit einem Mal sicher wie in Abrahams Schoß.
Bis zum Redaktionsschluss blieb Sharon bei Birke in deren Zimmer, das zur Textredaktion gehörte. Birke saß an einem weiß lackierten Schreibtisch. Graue Sitzmöbel in der Farbe des Teppichbodens waren ein fast edel wirkender Kontrast zu dem weiß lackierten Tisch, auf dem ein Strauß Astern stand. Birke telefonierte gerade mit Rosa Pape, der deutschen Managerin von Milva. Sharon wusste, dass Birke die italienische Sängerin interviewen sollte. Sharon konnte sich kaum dafür interessieren. Sie hätte Birke umarmen und von den Hoffnungen, von der Freude sprechen mögen. Vergiss doch, was dich von Krug trennt, hätte Sharon Birke sagen mögen. Birke schrieb konzentriert die Termine in ihren Kalender. Mailand, Hotel De la Ville, okay, Donnerstag, 11.00 h, darf der Fotograf dabei sein? Okay, können wir englisch sprechen? Okay, wunderbar, danke. Und zu Sharon: So, das wäre geklärt, übermorgen fliege ich.
An dem Tag, an dem Alexander kommt, schrie es in Sharon. Als Birke zwei Gläser mit Sekt füllte und sich entschuldigte, dass sie nur diese Brause habe, als Birke mit Sharon auf deren neuen Job anstieß, als Birke sagte, dass sie jetzt Kollegen seien und daher per du, da sagte Sharon: Kannst du nicht euren Streit vergessen? Ihr habt euch doch sicher einmal geliebt.
Birke küsste Sharon auf die Wange. Du bist verliebt, nein, du liebst, sagte sie ernst. Du liebst undkannst dir nicht vorstellen, dass man heiratet, ohne etwas von der Liebe zu wissen. Du sollst dir das auch nicht vorstellen, es passiert ja auch nicht allen Liebenden. Im Gegensatz zu dir, Sharon, habe ich niemals einen Alexander getroffen. Als ich Michael kennen lernte, war ich über seinen Entschluss, mich und kein anderes Mädchen zu wollen, erstaunt und geschmeichelt. Mehr war es nicht, jedenfalls glaubte ich damals, dass es nicht mehr sei. Ich hatte eine andere Vorstellung von der Liebe. Ich glaubte, sie sei zusammengesetzt aus Leidenschaft, Sehnsucht, Sicherheit, Treue. Alles auf einmal. Von den Jungen und Männern, die es für mich gab, bekam ich von jedem etwas. Es gab viele Jungen, die mich wollten. Jeder schien mir etwas anderes zu versprechen.
Michael war die Sicherheit, das Treueversprechen, wir hatten die gleichen Ideale. Michael kaufte unsere Ringe, er beschloss die Verlobung, die Heirat. Ich war die Puppe, die an den Fäden tanzt. Dabei wartete ich nur darauf, dass irgendetwas passieren sollte, was diese Hochzeit unmöglich machte. Eine Bombe vielleicht, ich wartete, dass der hochlehnige Stuhl umfiel, auf dem ich bei der Trauung saß, der Stuhl stand so nah am Rand der Stufe, die zum Altar führte, ganz nah am Rand stand er und sollte fallen, fiel aber nicht, und ich sagte Ja, obwohl ich Nein meinte, nein, nein, nein.
Doch dann, sagte Birke, als meine Füße Nacht für Nacht kalt blieben, als ich Michael den Tod wünschte, weil er meine Träume nicht erfüllte, als ich begann, mich für diesen Michael zu interessieren, den ich eines Tages in mir aufnahm, staunend, nicht froh, aber bald ohne Furcht, als ich aus meiner Einsamkeit erwachteund meine kleine Danda neben mir schrie, da begann Michael langsam sich loszumachen von mir. Es war, als könne ich das zarte Reißen hören, als er sich losmachte. Er verschenkte seine Gefühle da und dort, vernichtete und ließ sich vernichten. Anfangs bin ich hinter ihm hergelaufen, wollte ihn
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