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Diesseits Des Mondes

Diesseits Des Mondes

Titel: Diesseits Des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asta Scheib
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irgendwo müssen die doch hin, die brauchen ein Land wie jedes andere Volk auch. Und ich fands immer toll, wie die Juden sich verteidigt haben, wie sie die Übermacht der anderen verarscht haben, es gibt ja wohl kein Volk, das so viele Feinde hat wie die Juden oder wie das Land Israel. Ich lese alles, was ich in der Zeitung darüber finden kann. Aber den Libanonkrieg, den begreife ich nicht. Den finde ich auch imperialistisch   ...
    Sharon hörte die Worte, die Argumente, die abgegriffen waren und ausgefranst wie Zeitungen, die durch viele Hände gehen. Der Libanonkrieg, ein schmutziger Krieg, wie oft hatte sie das gehört, von Israelis genauso wie von Fremden. Das ist nicht unser Krieg, hatte Abel gesagt. Auch Ron und Ezra. Doch Paul hatte gebrüllt, dass er lieber ein Judeo-Nazi seinwolle, als sich abschlachten zu lassen. Paul hatte Maimonides zitiert: »Deswegen haben wir unser Königreich verloren, wurde unser Tempel zerstört und nimmt unsere Verbannung kein Ende   ... weil unsere Vorväter sündigten   ... weil sie sich mit Kriegsführung und Landeroberung nicht beschäftigt hatten.« Habt ihr es gehört, hatte Paul gesagt, Landeroberung, nicht nur Landverteidigung. Warum, hatte Paul gefragt, warum haben wir Israeli, die wir doch als so intelligent und erfinderisch gelten, die wir jede Menge Nobelpreisträger unter uns hatten, warum haben wir nicht in einem klitzekleinen Staat eine klitzekleine Atombombe gebaut. Dann hätte Hitler es nicht gewagt, uns etwas zu tun. Alle wären sie noch am Leben, wir hätten hier fünfundzwanzig Millionen Juden anstatt vier Millionen   ...
    Sharon dachte daran, dass Pauls Gesicht durch schwere Verletzungen entstellt wurde, als bei einer Patrouille in Ramallah eine Benzinbombe flog. Und Abel, dessen Krieg der Libanonkrieg nicht war, ihm quollen die Gedärme aus dem Bauch, als sie aus dem Hinterhalt auf den Jeep schossen.
    Sharon sah plötzlich in den Gesichtern um sie herum das Misstrauen, das aus der Fremdheit kommt, sie verspürte auch Misstrauen, sah sich ständig bereit, einen Angreifer abzuwehren, es gab ihr Sicherheit, dass sie sich den bleichen unglücklichen Irokesen überlegen fühlte, rein physisch überlegen und auch intellektuell. Sharon spürte, dass Julie sie schon lange erwartungsvoll ansah, Julie erwartete von Sharon eine Stellungnahme zu ihrer, Julies, Sicht des jüdisch-arabischen Konflikts. Doch Sharon war plötzlich müde, wund vom Denken, halb taub von der aggressivenMusik, die das Scum zum Bersten füllte, so dass man kaum ein Wort vom anderen verstand, sich anschreien, auf Kürzel beschränken musste. Und so sagte Sharon zu Julie ein hebräisches Wort,
ein brera,
das heißt, es bleibt uns keine Wahl. Und für sich selber wusste Sharon, dass dieser Ausspruch aus der Zeit der syrischen Angriffe von den Golanhöhen auf die israelischen Kibbuzim immer noch Gültigkeit hatte.
Ein brera,
es blieb keine Wahl, als die Kinder tief unter der Erde zum Schlafen zu legen, da der Feind den Kibbuz vom Golan aus voll einsehen und beschießen konnte. Was für Tel Qazir am See Genezareth galt, galt im übertragenen Sinne offenbar für alle Juden. Immer noch und überall. Sharon, die sich in Tel Aviv oftmals mehr deutsch als jüdisch gefühlt hatte, spürte plötzlich, dass sie sich in Deutschland jüdisch zu fühlen begann. Wie lange war es her, dass Christin ihr das prophezeit hatte?

8
    Noch vier Tage bis zu Alexanders Rückkehr. Sharon schlief keine Nacht mehr ruhig. In ihrer Sehnsucht nach Alexander begann ihre ohnehin begrenzte Welt noch mehr zusammenzuschrumpfen. Sie machte alles zu noch weniger Wichtigem, konzentrierte sich ganz auf ihre Liebe. Alexander schickte ihr Polaroids, auf denen war seine Hand, die Hand mit dem Ring, ihrem Ring, den Christin als Erste gesehen hatte. Zumindest hatte sie als Erste Sharon stürmisch umarmt und beglückwünscht, während Krug und Birke erst Tage später vorsichtig gefragt hatten, um dann nicht weniger herzlich ihre Überraschung zu zeigen. Alexanders Hand, sie lag hellbraun schimmernd auf einer tiefbraunen Tischplatte, die Platte des Tisches, der am Kamin stand, da, wo Sharon und Alexander abends oft lange gesessen und ins Feuer gesehen hatten. Auf einem Bild war die Garderobe zu sehen, ein Hemd hing da, blau mit schwarzen Blockkaros. Sharon hatte es oft getragen, es gehörte Alexander, sie hatte die Ärmel aufgekrempelt, und jetzt schrieb Alexander, dass diese aufgekrempelten Ärmel ihm vor Sehnsucht schier das Herz brechen

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