Diesseits von Eden: Neues aus dem Garten (German Edition)
zu seiner verlorenen Heimat, zu seiner damaligen Freundin, zu seiner so schnell vorbeigerauschten Jugend in eine einzige Liebe sublimiert, die Liebe zu den sowjetischen Arbeitshandschuhen.
»Hier!«, rief Herr Köpke mir schon von Weitem zu, den Berg heruntereilend. »Hier!«
Er wedelte mit einem hässlichen alten Handschuh. Ich untersuchte das Teil – ein dicker, von innen verfilzter, von außen zur Hälfte mit Wildleder, zur Hälfte mit Zeltplane überzogener gelber Handschuh, völlig zerrissen und eigentlich unbrauchbar. Jeder Handschuh in jedem Geschäft in der Umgebung wäre besser gewesen. Also hatte ich doch recht, es war die Liebe.
»Ich habe alles verstanden«, versicherte ich Herrn Köpke. »Ihr Auftrag wird erfüllt. Sie bekommen fünf Paar davon, spätestens im August. Im Juli fahren wir in den Kaukasus und sind im August wieder da.«
»Das wäre fein!«, freute sich mein Nachbar und trug seinen Handschuh wie einen großen Schatz ins Haus zurück.
Ich holte die Angel heraus und versuchte mit hausgemachten Brotkügelchen und Mais einen Friedfisch zu fangen. Die Fische wussten aber irgendwie, dass ich es war, der einzige Angler im Dorf, der noch keinen einzigen Fisch gefangen hatte. Sie wollten mir meine anglerische Jungfräulichkeit bewahren und mieden meine Angel, egal was ich anstellte. Auch diese Fische hatten es zu gut, sie wollten anscheinend nichts mehr vom Leben. Sicher hatten auch sie ihren ganz persönlichen geheimen Handschuh, etwas, wofür sie sich an jeden Haken werfen würden. Doch sie verrieten ihn mir nicht.
Das Paradies der Maulwürfe
Das Landleben kann ab und zu richtig Spaß machen. Eine Zeit lang hatte ich sogar überlegt, Hühner anzuschaffen wie mein Nachbar Herr Köpke. Die Eier, die seine Hühner legen, sind das Einzige, was man in Glücklitz für Geld kaufen kann. Wenn wir Besuch in unserem Gartenhäuschen haben, ist es bei uns inzwischen zu einem Ritual geworden, am Morgen vor dem Frühstück bei Herrn Köpke anzuklopfen, um mit seinen Eiern ein großes Omelett für alle Gäste zuzubereiten.
Herr Köpke schätzt unsere Abnehmerqualitäten sehr, er versucht nach Möglichkeit, seine Eierproduktion vorauszuplanen und unseren Bedürfnissen anzupassen. Nach dem Zerfall der DDR sei einfach keine vernünftige Planwirtschaft mehr möglich, beschwerte er sich bei uns immer wieder:
»Früher war alles besser. Die Hühner waren disziplinierter, die Abnehmer sicherer. Das ABC des Kapitalismus, wonach sich Angebot und Nachfrage gegenseitig regeln sollen, interessiert die Hühner überhaupt nicht. Sie legen ihre Eier, wann es ihnen passt.«
Auch die anhaltende Wirtschaftskrise machte Herrn Köpke schwer zu schaffen. Durch die spekulativen Geschäfte der kapitalistischen Heuschrecken wurde das Hühnerfutter immer teurer. Herr Köpke musste infolgedessen die Preise für seine Eier von 2,– Euro auf 2,50 Euro pro Packung erhöhen. Durch diese harmlose Preissteigerung verlor er den Großteil seiner Kundschaft im Dorf. Die Glücklitzer sind sparsame Menschen, sie waren nicht bereit, 2,50 Euro für ihre Eier zu zahlen. Sie fuhren lieber ins Nachbardorf zum Netto-Supermarkt. »Zehn Kilometer sind für einen zähen Hund kein Umweg«, wie man in Russland zu sagen pflegt. Dort, im nächsten Dorf, kostet eine Packung Eier bloß 1,80 Euro. Die großen Ketten konnten sich solche Preise erlauben. Es gab in deutschen Supermärkten sogar einmal Eier für 0,99 Euro die Packung, ein chinesisches Erzeugnis, meinte Herr Köpke. Man munkelte allerdings, dass die Chinesen diese Eier aus Sojaabfallprodukten herstellen, ganz ohne Hühnereinsatz. Für billige Burger-Ketten lieferten die Chinesen zum Beispiel Eier in Form einer meterlangen Wurst, weil sie so leichter in Scheiben zu schneiden waren.
Ob echt oder künstlich erzeugt, es war klar, die Einzelgänger und Enthusiasten wurden vom Eiermarkt verdrängt. Immer öfter handelte Herr Köpke auf eigene Faust, zeigte Initiative und kam morgens und abends zu uns, um zu fragen, ob wir eigentlich ein großes Freundschafts-Omelett planten. Ich fühlte mich für sein Wohl zuständig und nahm ihm seine Eier stets ab. Einmal, ich war gerade in bester Laune, bestellte ich gleich Eier für zehn Euro.
»Wie viel wollt ihr dafür haben, die ganzen vier Packungen?«, erkundigte sich der Nachbar besorgt.
»Ja, warum nicht?«, sagte ich.
Wir hatten gerade eine große Gesellschaft zu Tisch geladen, also dachte ich, wennschon, dennschon und bestellte großzügig. Herr
Weitere Kostenlose Bücher