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Diesseits von Eden: Neues aus dem Garten (German Edition)

Diesseits von Eden: Neues aus dem Garten (German Edition)

Titel: Diesseits von Eden: Neues aus dem Garten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Kaminer
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unglaublich große Früchte mit einem hohem Vitamingehalt hervorbringe oder für die Gesundheit des sowjetischen Volkes ungemein wichtige Heilstoffe enthalte, oder dass man aus ihrem Saft Gummi gewinnen könne, dann hätten sie bestimmt sofort reagiert. Ohne solche Argumente konnte die Akademie jedoch nicht verstehen, wozu der Baum der Erkenntnis gut sein sollte. Sie ignorierten Arams Weinrebe. Und damit jegliche Erkenntnis. Dadurch kamen Gut und Böse im Sozialismus durcheinander, und das hat ihn, den Sozialismus, letzten Endes plattgemacht.
    Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion brachen nationalistische Kriege aus. Menschen, die jahrhundertelang gute Nachbarn gewesen waren, konnten einander plötzlich nicht mehr ausstehen. Während des armenisch-aserbaidschanischen Krieges wurde Arams Weinstock beinahe vollständig verbrannt. Die Rebe der Erkenntnis wäre damit für die Menschheit endgültig verloren gegangen, wenn Aram bei seiner Umsiedlung in den Nordkaukasus nicht ein paar Setzlinge mitgenommen hätte. Hier auf dem neuen Boden haben sie schnell Wurzeln geschlagen und geben inzwischen in einem guten Jahr bis zu 200 Liter Wein. Doch entweder hat die Wirkung der Frucht im Laufe der Zeit nachgelassen, oder Gut und Böse haben sich inzwischen so stark angeglichen, als wären sie Zwillinge. Denn selbst nach ein paar Gläsern sind sie nicht auseinanderzuhalten. Man müsste noch viel mehr von dem Wein trinken, um sie unterscheiden zu können.

Heile Welt und die kanadischen Bärenwürmer
    Schon seit ewigen Zeiten versucht mein Freund Alexander, die Gottesschöpfung im Maßstab 1 zu 10 000 000 zu reproduzieren – in seinem Übergangsaquarium in der Küche. Dort baut er sein eigenes kleines Paradies. Wenn diese heile Welt fertig ist, wird er sie aus dem Übergangsaquarium herausnehmen und in das richtige, große und schöne Aquarium im Gästezimmer stellen. Doch wie ich die Lage einschätze, wird das noch ein Weilchen dauern. Der heilen Welt fehlt es nämlich im Moment noch an Solidarität unter ihren Bewohnern, an Nachhaltigkeit in ihrem Umgang mit dem begrenzten Lebensraum, und soziale Gerechtigkeit will sich im Übergangsaquarium ebenfalls nicht einstellen. Das ganze Treiben dort erinnert an eine unendliche Fressorgie ohne langfristige Zukunftsperspektive.
    Das war von Alexander, dem Schöpfer, ganz anderes geplant. Eine Welt sollte es sein, in der große und kleine Fische, Pflanzen, Krebse und Muscheln friedlich und glücklich nebeneinanderlebten, ihre Wasserwelt sauber hielten und sich auf der Grundlage gegenseitigen Respekts begegneten, anstatt sich gegenseitig aufzufressen. Der Enthusiasmus des Schöpfers wurde jedoch ständig durch die Verantwortungslosigkeit der Aquariumsbewohner auf die Probe gestellt. Was tun? Fische sind keine Plüschtiere, sie schlucken einander eben gerne, auch wenn manche eigentlich Vegetarier sind. Das tun sie aus Lust, etwas Neues auszuprobieren, oder aus Neugier, um festzustellen, ob ihnen der Nachbar überhaupt ins Maul passt.
    Zuerst dachte mein Freund, er müsse bloß die richtigen Arten zusammenfügen, diejenigen nämlich, die sich gut vertrugen. Schnell merkte er aber, dass auch bei den friedlichsten Arten unterschiedlich gefräßige Mitglieder diese heile Welt unterschiedlich belasteten. Daraufhin beschloss er, seine Unterwassergemeinschaft nicht einfach aus bestimmten Arten, sondern aus ausgewählten Individuen zusammenzustellen. Er fahndete nach Fischen mit herausragenden persönlichen Eigenschaften, so wie ein guter Hotelmanager sich in langen Gesprächen mit vielen Bewerbern sein Traumteam zusammenstellt. Mein Freund suchte nach Fischen mit einwandfreiem Charakter. Doch auch Fischcharaktere verderben mit der Zeit. Die Fischgemeinschaft ist genauso launisch wie die menschliche. Manchmal gingen Paradies-Bewohner schlecht gelaunt in die Nacht, und am nächsten Morgen vermisste der Schöpfer alle kleineren Mitglieder seines Projektes. Am Ende jeder Schöpferwoche sah die heile Welt erbärmlich und leer aus. Nur irgendwo in der Mitte hing häufig ein einzelner Fisch im Wasser, der deutlich größer geworden war, als er laut Wikipedia sein durfte. Und hinter einem Stein lag eine verängstigte Crevette, die sich so toll versteckt hatte, dass sie sich nicht einmal mehr selbst finden konnte.
    Als Schöpfer einer gerechten Welt gescheitert stand mein Freund mehrmals am Rande eines Nervenzusammenbruchs und war kurz davor, sein Aquarium zu verkochen, den ganzen Mist wegzuschmeißen und

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