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Diesseits von Eden: Neues aus dem Garten (German Edition)

Diesseits von Eden: Neues aus dem Garten (German Edition)

Titel: Diesseits von Eden: Neues aus dem Garten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Kaminer
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die Möglichkeit der heilen Welt zu vergessen. Doch sein Schöpfungsenthusiasmus brach immer wieder durch. Er trieb ihn dazu, doch noch einmal von vorne zu beginnen. Also ging er in der Aqua Welt shoppen, denn jede neue Welt brauchte ihre Adams und Evas. Und die sind nicht billig.
    Ich begleitete ihn, blieb aber beim Angelbedarf hängen. Ich hatte nämlich meine eigenen Pläne. Ich wollte im Glücklitzer See endlich als Angler Erfolg haben und mit neuen, noch nie da gewesenen Ködern die Brandenburger Fische überrumpeln. Ich hatte schon vorsorglich eine neue supermoderne Angel ins Haus eingeschleust, trotz der Proteste der Kinder, die pazifistisch gesinnt behaupteten, man solle keine Fische foltern. Mir fehlte nur noch der richtige Köder. Worauf konnten Brandenburger Fische Appetit haben? So wie ich die Gegend und ihre Bewohner kannte, würde ich sagen: auf nichts. Im Anglerbedarf waren kanadische Bärenwürmer im Sonderangebot, so rot und so fett, dass jeder Angler beim Anblick dieser Würmer mit Sicherheit Appetit bekommen hätte, von Fischen ganz zu schweigen. Allerdings konnte sich der Geschmack der Brandenburger erheblich von dem der restlichen Welt unterscheiden. Ich kaufte deswegen nur eine kleine Packung zur Probe. Der Schöpfer kaufte ebenfalls welche – für seine Adams und Evas, um weitere Experimente mit ihnen durchzuführen
    Wir gingen zur Bushaltestelle. Die Sonne ging langsam unter, und ich beeilte mich, weil ich unbedingt am selben Tag noch den ersten Kanadier ins Brandenburger Wasser werfen wollte. Auch der Schöpfer war aufgeregt. Er stand kurz davor, wieder eine neue Welt zu erschaffen.
    »Schau dir diese durchtrainierten Pobacken an«, rief er mir ins Ohr. Vor uns an der Bushaltestelle stand eine hübsche, etwas mutig angezogene Brünette in Leggings aus Latex, die sich wie eine Schlangenhaut an sie schmiegten und bestimmte Teile ihres Körpers im Straßenbild stark hervorhoben.
    Statt auf die Brünette zu schauen, sah ich hinter dem Rücken meines Freundes den Bus heranfahren. Um ein Haar wäre Alexander unter die Räder gekommen. Im letzten Moment zog ich ihn von der Fahrbahn. Adam und Eva im Glas erlitten einen gewaltigen Schock und sahen schon jetzt psychisch schwer angeschlagen aus. Beinahe wäre das Glas zersprungen und die neue Welt zu Ende gewesen, noch bevor sie angefangen hatte.
    »Du musst aufpassen!«, schrie ich dem Schöpfer ins Ohr. »Du kannst nicht auf jede Frau in Leggings losschießen, ohne die Verkehrsregeln zu beachten. Bedenke, was für eine Verantwortung du trägst. Ohne dich wäre deine Welt verwaist. Was sollen die Fische dann tun? Woran sollen sie glauben? Unser Gott ist tot, vom Bus überfahren. Und seine letzten Worte waren ›Schau dir diese durchtrainierten Pobacken an.‹ Nein, werden die Fische denken, mit einem solchen Gott hätten wir sowieso keine Chance gehabt, und sie werden sich aus Frust selbst auffressen.« Wir stritten und spotteten noch eine Weile. Nach Glücklitz kamen wir erst am nächsten Tag.
    Am frühen Morgen in Brandenburg am See stehend experimentierte ich endlich mit den kanadischen Würmern. Um mich nicht zu blamieren, warf ich für alle Fälle die Angel an einer abgelegenen Stelle des Sees aus, wo es keine anderen Angler gab. Wie ich es mir schon gedacht hatte, ließen sich die Brandenburger Zeit. Entweder war der Kanadier für sie zu exotisch oder einfach zu groß. Der Wurm hatte auch unglaublichen Widerstand geleistet, er wollte weder oral noch rektal an den Haken. Lange Zeit mühte ich mich vergeblich mit ihm ab. Der Kanadier presste seinen Schließmuskel zusammen und wurde hart wie Stein. Ich schwitzte mit dem Wurm in den Fingern und musste dabei ständig an die gestrige Brünette von der Bushaltestelle denken. Nur wenn ich zu dem Wurm etwas auf Russisch sagte, ließ er locker. Offensichtlich wirkte Russisch beruhigend, gar erotisierend auf den Kanadier. Er entspannte sich. Doch unter Wasser brachte er sich wahrscheinlich gleich wieder in militante Stellung, denn die Fische mieden uns. In drei Stunden fing ich nur einen einzigen.
    Wäre es ein kleiner Fisch gewesen, hätte ich ihn sofort wieder ins Wasser geworfen und wäre lieber ganz ohne Beute zurück nach Haus gekommen. Doch der Fisch war schön und glitzernd, vielleicht etwas zu klein für ein ganzes Abendessen, aber zum Angeben genau richtig. Ich nahm ihn mit ins Haus, legte ihn auf einem Teller auf den Tisch und ging erst einmal meinen Nachbarn besuchen, um über die Kanadier zu

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