Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)

Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)

Titel: Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Spitzer
Vom Netzwerk:
davon, dass sie unglaublich viel Zeit für Spontaneität und Kreativität freisetzen würde. Wirklich? Betrachten wir vor dem Hintergrund des eingangs zur Verarbeitungstiefe Gesagten einmal genauer, welche Konsequenzen die digitale Aufrüstung unserer Klassenzimmer für das Lernen hat. Mit einem Wort kann man kaum etwas Oberflächlicheres anstellen, als es mit der Hand zu berühren und an einen anderen Ort der elektronischen Tafel zu ziehen. Man braucht es dazu nicht einmal lesen oder sich damit gedanklich beschäftigen. Die Tiefe der Verarbeitung ist also sehr gering, deutlich geringer als bei der linken Säule in Abbildung 3.1. Dort war das Wort ja immerhin zu lesen und zu entscheiden, ob es mit kleinen oder großen Buchstaben geschrieben war. Das Bewegen eines Inhalts mit einer Zeigebewegung, die für jeden Inhalt dieselbe ist, festigt diesen Inhalt nicht. Abschreiben wäre da schon viel besser, denn hierbei müsste das Wort memoriert und selbst erneut geschaffen werden – durch sinnvolle, d.h. die Bedeutung aus einzelnen Zeichen zusammensetzende, Bewegungen.
    Gerade weil der Computer den Schülern geistige Arbeit wie z.B. das Abschreiben abnimmt, muss er zwangsläufig einen negativen Effekt auf das Lernen haben. Diesen klaren Nachteil müssen alle elektronischen Hilfsmittel im Unterricht erst einmal ausgleichen, und ich sehe nicht, dass sie dies tun. Vielmehr kommen weitere Nachteile hinzu. Häufig treten Störungen auf: Plötzlich piepst es irgendwo, weil bei einem der Laptops der Akku leer ist und die Notwendigkeit der Stromversorgung signalisiert wird. Das ist nicht weiter schlimm, aber irgendjemand – im Fall der von uns beobachteten Klasse ein anwesender Systemadministrator – muss sich darum kümmern, denn solange es piepst, kann kein sinnvoller Unterricht geführt werden. Auch in der Schule kann, wie wir erlebt haben, ein Computer abstürzen – dann geht nichts mehr. Die anwesende Lehrerin hat hierauf sehr professionell reagiert, gar nicht lange gefackelt und dem Schüler einfach gesagt: »Jetzt hat er keine Lust mehr.« Das war es dann für den betreffenden Schüler mit der Arbeit am Computer.

3.10 Wenn der Computer beim Ausfüllen eines Lückentexts plötzlich abstürzt, kann man seine Arbeit nicht beenden und muss eine Zwangspause einlegen.
    Bei genauem Hinsehen zeigte sich ein weiteres Phänomen, das wir nicht erwartet hatten. Die Kinder hatten nicht selten ihren Kampf mit der Technik, d.h., sie erfüllten ihre Aufgabe nicht etwa besonders gut oder schnell, weil sie am Laptop oder Smartboard arbeiteten, sondern obwohl sie dies taten. Immer wieder hatten sie Mühe, mit der digitalen »Unterstützung«. In der folgenden Abbildung kann man erkennen, wie sich ein Schüler ganz offensichtlich beim Schreiben mittels eines digitalen Mediums regelrecht quält hat. Wie man sieht, kann er eigentlich schreiben (wenn auch nicht ganz fehlerfrei), aber mit digitalem »Hilfsmittel« kann er es nicht.

3.11 Ein Schüler hat Mühe beim Schreiben mit dem elektronischen Griffel (links oben auf dem Bildschirm) . Ich habe ihn daher aufgefordert, das Gleiche mit Kugelschreiber auf einen Zettel zu schreiben. Zum Vergleich habe ich diesen Zettel auf den Bildschirm danebengelegt.
    Das Gleiche kann man übrigens auch bei digitalisiertem Musikunterricht erleben. Schüler, die eigentlich Klavier spielen können, tun sich beim Musizieren auf elektronischen Keyboards schwer. Man kann den Ton nicht richtig kontrollieren, das Gerät spielt auch allein – was auf den Schüler demotivierend wirkt –, und das Endergebnis (der Klang) ist oft jämmerlich im Vergleich zu einem richtigen Klavier.
    Sehr störend wurde von den Lehrern wie von den universitären Betreuern der von uns besuchten Schule auch die Tatsache empfunden, dass der Hersteller des verwendeten Betriebssystems nahezu täglich Updates versendet, die auf allen Rechnern »von Hand« installiert werden müssen. Wie es heißt, handelt es sich hierbei meist um Sicherheitslücken, die geschlossen werden müssen, also nicht um Verbesserungen am System. Man muss diese lästigen Wartungsarbeiten aber dennoch ausführen, denn wenn beispielsweise ein Hacker in das System der Schule eindringt und Klassenarbeiten entwendet, trägt man dafür die Verantwortung. Hätte man nicht das Glück, einen Spezialisten (den Systemadministrator von der Universität) hierfür zur Verfügung zu haben, dann würde täglich die erste Stunde damit vergehen, dass die Computer einzeln vom

Weitere Kostenlose Bücher