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Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)

Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)

Titel: Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Spitzer
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wurde in der Gruppe über den Film diskutiert, entweder in direktem Kontakt (face to face) oder jeder einzeln an einem Computer durch indirekten digitalen Austausch mit den anderen. Dieser Austausch tat der Wahrheit gut, denn man fragte danach noch einmal jede der drei Personen einzeln nach den genauen Inhalten des Films. Das Produkt der gemeinsamen Erinnerung erwies sich als wahrheitsgetreuer im Vergleich zu den einzelnen Erinnerungen.
    Zudem ergab sich folgende wichtige Erkenntnis: Die Erinnerungsleistung des Einzelnen zu einem weiteren dritten Zeitpunkt war besser, wenn das kollektive Erinnern nicht elektronisch, sondern im direkten Kontakt erfolgt war. Es ist also nicht egal, ob man sich Sachverhalte, die gelernt werden sollen, in einer Gruppe interaktiv und im direkten persönlichen Kontakt aneignet oder ob diese Gruppe virtuell per Internet entsteht. Die Gründe hierfür sind offensichtlich: Der direkte persönliche Kontakt liefert deutlich mehr Material zur Verarbeitung und führt zu einer emotionaleren und tieferen Verarbeitung als der deutlich reduzierte (verarmte) Kontakt über Bildschirm und Tastatur.
    Wenn Information von Menschen im Dialog oder in einer Diskussion verarbeitet wird, dann ist dies nach allem, was wir wissen, die tiefstmögliche Art der Verarbeitung. Gerade weil Menschen soziale Wesen sind, tun sie nichts lieber als miteinander reden, und sie tun dies täglich mehrere Stunden lang. Im Leben vieler Jugendlicher wird dieser persönliche Austausch heute allerdings durch digitale soziale Netzwerke ersetzt. Und wenn die angesteuerten Seiten noch so schrill, laut und bunt aufgemacht sind – es wird dennoch weniger im Gedächtnis haften bleiben als im unmittelbaren Kontakt. Denn – wie wir im nächsten Kapitel sehen werden – nur die reale persönliche Kommunikation ermöglicht tiefe Verarbeitung.

Fazit
    Wer geistige Arbeit auf digitale Datenträger oder in die Wolke auslagert, hat neben der geringeren unmittelbaren Beanspruchung des Gehirns noch ein weiteres Problem. Die Motivationslage zum Einprägen von neuen Sachverhalten wird verändert. Wenn man weiß, dass man etwas irgendwo aufbewahrt hat, dann macht man sich »keinen Kopf« mehr darum.
    Schon vor knapp neunzig Jahren wurde von Gestaltpsychologen untersucht, wie sich die »Spannung« einer unerledigten Aufgabe auf das »psychische Feld« auswirkt. Man wusste noch nichts von Hippocampus und Cortex, Mandelkern und Dopamin, Arbeitsgedächtnis und Aufmerksamkeit, Bottom-up- und Top-down-Prozessen und dergleichen. Gut experimentieren konnte man damals allerdings schon! Und so fand man, dass eine unerledigte Absicht im Mittel knapp doppelt so gut im Gedächtnis hängenbleibt wie eine erledigte. Wer also nach getaner Arbeit am Computer die Save-Taste drückt, muss sich nicht wundern, wenn er am nächsten Tag nicht mehr ganz so viel weiß. Dieser Effekt ist natürlich nicht medienspezifisch. Auch Sachverhalte, die ich auf einen Notizzettel schreibe, muss ich mir nicht weiter merken!
    Neuere Experimente zeigen allerdings, wie bedeutsam dieser Effekt gerade bei der Nutzung digitaler Medien ist. Ihr Aufforderungscharakter lässt uns unbekümmert gegenüber dem Einspeichern, weil wir ja doch alles im Netz (wieder-)finden können. Damit geht langfristig Expertenwissen verloren, das ich aber gerade brauche, wenn ich mit dem Internet sinnvoll umgehen will. Damit reduziere ich wiederum meine künftigen Möglichkeiten zu eigenständiger geistiger Arbeit (im Netz und anderswo) und die Nutzung meines Gedächtnisses (denn Erwachsene lernen vor allem durch Andocken neuer Informationen an bereits vorhandene. Schließlich gebe ich durch diese allgemeine Haltung gegenüber bzw. die Gewohnheit im Umgang mit dem Netz noch Kontrolle ab, die ich über mich und meine bewusste geistige Tätigkeit habe. Die Auswirkungen davon sind gerade langfristig kaum zu überschätzen und werden in den Kapiteln 11 und 12 näher thematisiert.

5. Soziale Netzwerke: Facebook statt face to face
    Soziale Netzwerke wie Facebook oder Google+ sind heute aus der Lebenswelt vieler junger Menschen nicht mehr wegzudenken. Man sitzt sich beim Rendezvous im Café gegenüber und schaut sich nicht mehr gegenseitig in die Augen, sondern jeder für sich auf sein Smartphone – vielleicht um seinen Freunden rasch zu twittern, wie toll das Rendezvous gerade ist.
    Noch vor wenigen Jahren waren soziale Online-Netzwerke mit einigen zehn- oder hunderttausend Mitgliedern vergleichsweise klein und

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