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Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)

Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)

Titel: Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Spitzer
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körperliche Arbeit abgenommen. Das war zunächst meist ohne jegliche Folgen für uns selbst, denn wer hinter seinem Ochsen, der den Pflug zieht, hinterherläuft, der läuft zumindest noch immer selbst; zugleich hält und steuert er den Pflug und hat daher auch körperlich richtig zu tun. Der Unterschied zum Umgraben des Ackers mit dem Spaten besteht im Wesentlichen in der Geschwindigkeit. Anstrengend ist das Pflügen mit dem Ochsen schon, aber man schafft einfach mehr Fläche in der gleichen Zeit. Mit einem großen Traktor schafft man noch viel mehr Fläche, aber es kommt ein wesentlicher Nachteil hinzu: Man sitzt nur noch und strengt sich körperlich nicht mehr an. Man bekommt Rückenschmerzen auf dem Traktor vom vielen Sitzen, weil die Rückenmuskeln unbeschäftigt sind und verkümmern.
    Wir hatten bereits gesehen, dass es mit geistiger Arbeit nicht anders ist: Wer navigieren lässt, trainiert seine Ortskenntnis nicht, weiß oft nicht, wo er ist, und weist daher zuweilen ein Krankheitssymptom auf, das normalerweise erst bei weit fortgeschrittenem Alter auftritt: Ihm fehlt die räumliche Orientierung.
    Nun könnte man dahingehend argumentieren, dass es sich beim Navigieren um einen Spezialfall handelt. Der Computer hingegen sei für die geistige Arbeit eigentlich eher so zu betrachten wie der Ochse für das Pflügen: Man erledigt einfach mehr Arbeit in einem gegebenen Zeitraum, muss sich aber dennoch anstrengen. Wenn dem tatsächlich so wäre, dann würde der Gebrauch des Computers bei geistiger Arbeit ebenso wenig schaden wie der Gebrauch eines Ochsen beim Pflügen. Es gibt jedoch eine Reihe von Hinweisen, welche die Vermutung nahelegen, dass es sich nicht so verhält. Hiervon handelt dieses Kapitel – und davon, was diese Einsichten für den Gebrauch von Computern als vermeintliches Lernwerkzeug in Schulen bedeuten können.

Verarbeitungstiefe
    Seit mehr als vierzig Jahren wird in der Lern- und Gedächtnispsychologie die Tiefe der Verarbeitung eines Sachverhalts erforscht. Je tiefer er verarbeitet wird, desto besser wird er im Gedächtnis gespeichert. Damit ist nicht etwa gemeint, dass man nur in einem Bergwerk oder beim Tauchen richtig lernen kann; es geht vielmehr um die geistige Tiefe. Was soll das sein?
    Über lange Zeit nahm man an, dass es beim Lernen darauf ankommt, Inhalte in »Speicher« zu füllen. Man sprach von Ultrakurzzeitspeicher, Kurzzeitspeicher und Langzeitspeicher und tat damit so, als handele es sich bei diesen Speichern um so etwas wie Schuhkartons, die man mit Dingen füllen kann. Daraufhin wurde untersucht, wie man einen Sachverhalt vom Kurzzeitspeicher in den Langzeitspeicher transferieren kann. Dies ist keineswegs unwichtig, wie wir bereits an den unterschiedlichen Funktionen des Hippocampus und der Gehirnrinde gesehen haben. Beide müssen zusammenarbeiten, um langfristiges Erinnern zu ermöglichen.
    Aber neben dieser Betrachtungsweise gibt es noch eine ganz andere Art, sich über das Gedächtnis Gedanken zu machen. Wir haben bereits festgestellt, dass im Gehirn die Verarbeitung und das Speichern eines Sachverhalts letztlich ein und dasselbe sind. Dadurch, dass ein Sachverhalt verarbeitet wird, also in unserem Gehirn Impulse über Synapsen von Neuron zu Neuron gesendet werden, ändern sich diese Synapsen, und der Inhalt wird damit auch gelernt. Wie viele Neuronen und Synapsen mit einem Sachverhalt beschäftigt sind, hängt allerdings von der Verarbeitungstiefe ab.
    Betrachten wir hierzu ein ganz einfaches Beispiel: Lesen Sie doch bitte mal die folgenden Wörter und geben Sie an, ob das Wort mit kleinen oder großen Buchstaben geschrieben ist:

    werfen – HAMMER – leuchten – Auge – RIESELN – laufen – BLUT – STEIN – denken – AUTO – zecke – LIEBEN – wolke – TRINKEN – sehen – buch – FEUER – KNOCHEN – essen – GRAS – meer – rollen – Eisen – ATMEN

    Eine sehr leichte Aufgabe! Sie können die Wörter auch lesen und jeweils entscheiden, ob es sich bei dem Wort um ein Substantiv oder ein Verb handelt. Das ist schon etwas schwieriger. Schließlich könnten Sie sich beim Betrachten jedes der Wörter beispielsweise überlegen, ob das Wort etwas Belebtes oder etwas Unbelebtes bezeichnet. Jetzt müssen Sie noch mehr nachdenken!
    Schon in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts sind viele Experimente durchgeführt worden, die etwa folgendermaßen abliefen. Man lässt Versuchspersonen Wörter einzeln am Computer betrachten,

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