Dihati Qo – Die, die sein werden (German Edition)
anrückende Armee müsste alles aus der Festung beziehen. Die Dörfer, die sie plündern könnten, hat Ludewig schon zum großen Teil niedergebrannt, die meisten anderen Bauern werden fliehen. Und bei den Ernten der letzten Jahre können auch die Vorräte der Festung nicht so üppig sein. Die Leute wittern eine Chance, Illwar! Es könnte sich was ändern. Sag mir nicht, dass Dir der Gedanke missfällt.«
»Ich dachte, Du bist diejenige, die nicht mit der Moral und dem Glauben dieser Leute und überhaupt mit diesen Menschen zurechtkommt. Warum bist Du so erpicht darauf ihnen zu helfen?« Illwar hatte bisher mit keinem Wort seine Pläne bezüglich ’te Kall erwähnt, weder gegenüber Xarna noch sonst irgendjemandem. Nach ihrer Offenbarung wusste er auch nicht, ob es überhaupt eine gute Idee war, ihr diese Pläne anzuvertrauen. Auf der anderen Seite konnte er das Gefühl nicht abschütteln, dass sie ihm ähnlicher war, als jeder andere Mensch sonst, mit dem er je zusammengetroffen war.
Xarnas Blick wurde streng. Ihre feingeschwungenen Brauen zogen sich zusammen. »Ja, ich sehe manche Dinge, die allgemein als Böse dargestellt werden, nicht so schlecht an wie andere Leute. Ich glaube, dass jeder Mensch Gutes und Böses in sich trägt, es in sich vereint, in sich ausgleicht und sich der angeblich bösen Dinge nicht zu schämen, oder sie gar zu verstecken braucht. Aber wenn es einen Oberst oder gar einen Fürsten weniger gibt, der Dörfer verbrennt und kleinen Mädchen ihre Eltern nimmt, werde ich bestimmt als Letzte eine Träne darüber vergießen.«
Illwar nickte. Xarnas Leben war geprägt von Freiheit; Freiheit, die sie sich auch über die Grenzen der etablierten Regeln hinweg nahm. Aber dieses Leben und seine Freiheit waren kein Ersatz für den Verlust der Eltern. Illwar wusste, wie sie sich fühlte. Er kannte ihre Sehnsucht und er kannte ihre unerfüllten Rachegedanken. Nur die Rache hatte er mittlerweile hinter sich. Der alte Fürst hatte seine Eltern getötet, nicht der neue. Der alte hatte bereits für alles bezahlt.
»Gut, ich bin von Deinen Beweggründen überzeugt, Ketzerin. Aber verrate mir doch bitte, wie ich diesen Leuten helfen können sollte? Vor allem gegen die Magie des Fürsten!«
Xarna lächelte. »Genau das ist der Punkt. Der Fürst ist der Einzige, der über Magie verfügt. Er wird sich nicht wegen Kargendein aus seiner Festung begeben. Jedenfalls nicht zu Anfang. Das heißt, wir haben es nur mit menschlichen Gegnern zu tun. Mit Leuten, die wir schlagen können. Vor allem wenn wir selbst ein klein wenig magische Unterstützung haben.«
Illwar runzelte die Stirn. »Und woher soll die kommen?«
Xarna neigte den Kopf zur Seite und gab ihrem Lächeln dadurch ein schelmenhaftes Gesicht. »Elldrig hatte mir erklärt, dass sein Freund wegen angeblicher unheimlicher Praktiken nicht gerne im Dorf gesehen wurde. Wegen schwarzer Magie. Du bist dieser Freund, dass wissen wir beide. Und so geheimnisvoll und unnahbar, wie Du Dich gibst, bin ich mir sicher, dass diese Dorfleute so unrecht nicht hatten.«
»Du glaubst also auch, ich sei eine Art Hexer?«
Xarna strahlte ihn förmlich an.
»Oder Du hoffst sogar, dass ich einer sein könnte. Ich dagegen hoffe, ich muss Dich nicht enttäuschen.«
»Das tust Du bestimmt nicht«, erwiderte Xarna zuversichtlich.
11
»Sich gegen den Fürsten auflehnen, das ist doch Wahnsinn!«
Die Worte echoten noch von den Kellergewölben des Ratsherrenhauses bevor sie vom Gemurmel der Menge, mal zustimmend, mal abwägend, geschluckt wurden. Die Bürger waren sich uneins und wer konnte es ihnen verdenken.
»Innerhalb einer Woche wird der Fürst uns dem Erdboden gleichmachen«, setzte Jotor seine Überzeugung fort. Jotor war einer der zehn Ratsherren von Kargendein. Zusammen mit dem Bürgermeister bestimmten diese Herren die Geschicke der Stadt. Jotor war Stoffhändler, der größte im Umkreis und er hatte bereits über achtzig Winter erlebt. Er wollte den einen oder anderen noch dranhängen.
»Das hat er so oder so vor! Oder warum glaubst Du, schickt er Ludewig!« Der Bürgermeister bekam Zustimmung von großen Teilen der versammelten Bürger. Sie hatten Angst vor Ludewig und dem, was er anstellen konnte. Was nicht hieß, dass sie etwas dagegen unternehmen wollten.
»Meine Güte, Volmar«, entgegnete Jotor, »es sind nur dreißig Mann! Was soll er denn mit denen ausrichten?«
»Alles, was er will!« Das tiefe Donnern des Basses passte zu der Statur des Meisterschmieds.
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