Dihati Qo – Die, die sein werden (German Edition)

Opfern der anonymen Masse an. Gegen Anonymität hatte sie nichts einzuwenden, aber opfern missfiel ihr dafür umso mehr.
    Illwar hingegen entwickelte einen unerwarteten Enthusiasmus. »Der Ring! Wie kommen wir nur an den Ring? Ich habe zu wenig Wasser …«
    »Wasser?« Das Gesicht des Ohabs zeigte sich leicht verwirrt. »Habt Ihr Durst?«
    Xarna wurde wieder hellhörig, wiegelte den Ohab aber in Bezug auf das Wasser ab. »Nein, nein, wir brauchen kein Wasser.« Dann lächelte sie erneut und meinte: »Vielleicht einen Schluck.«
    Der Ohab nickte und winkte eine der Frauen heran, die Wasserschläuche brachte.
    Xarna sah Illwar an. »Von dem Ring weißt Du schon länger?« Er nickte. »Und mit Deinem kleinen … «, sie blickte auf die Wasserschläuche, »… Trick wolltest Du an ihn ran?«
    »Unter anderem«, gab Illwar zu. »Aber das ist nicht alles. Nur funktioniert dieser Weg nicht. Oder nur unzureichend.«
    »Es gibt immer mehrere Wege«, mischte sich der Ohab altklug ein. »Vergesst nicht: Ihr seid die Dihati Qo! Zusammen könnt Ihr Türen öffnen, die einem alleine verschlossen blieben.«
    Türen! Ein neuer Blitz der Erkenntnis zuckte durch Illwars Verstand. Das Portal! Das Portal in seiner Wohnhöhle. Das war der Weg. Er hatte sich all die Jahre nicht getraut hindurchzugehen, aber jetzt, ja jetzt war der richtige Zeitpunkt. Eine ungewöhnliche Gewissheit breitete sich plötzlich in ihm aus, hinter dem Portal sein Wasserproblem lösen zu können. Er war jetzt nicht mehr allein. Er ergriff Xarnas Hand und drückte sie energisch. »Ich weiß, wo wir hin müssen.«
    »Auf einmal?«
    »Vertrau mir! Ich erklär’s Dir später.«
    An den Ohab gewandt fragte er »Wie kommen wir raus aus dieser Stadt?«
    »Ich dachte, Du wüsstest, wo wir hin müssen?«, grinste ihn Xarna an.
    Illwar gab dem Ohab in puncto Sarkasmus im Stillen recht.

24
    »Es ist Ludewig! Er ist hier unten!«
    Illwar und Xarna verschluckten sich und setzten hustend ihre Wasserschläuche ab, an denen sie gerade getrunken hatten. Der Ohab richtete sich in seiner sitzenden Position auf. Die Mitglieder des Bundes wirbelten erschrocken herum. Alle starrten den Unglücksboten an.
    Der Mann keuchte. Schweiß lief seine Stirn und Schläfen hinab. Er rang nach Luft. »Es sind zu viele«, japste er. »Wir können sie nicht alle aufhalten. Ludewig peitscht sie an wie ein Wahnsinniger.«
    »Der er ist«, bemerkte der Ohab trocken. Er nahm die Nachricht sehr gefasst auf. Sein Blick war wieder müde. Sein Atem ging ruhig. »Schafft wie besprochen die Frauen und Kinder hier raus. Mit ihnen die Dihati. Ihr Ziel hat oberste Priorität. Schützt sie, bis sie außerhalb der Stadt sind. Danach sind sie ohnehin auf sich allein gestellt.« Er wandte sich an Xarna und Illwar. »Viel Glück! Ihr wisst, was Ihr zu tun habt. Holt den Ring! Brecht die Macht des Fürsten! Jetzt geht, es wird Zeit!«
    Die beiden sprangen auf. »Kommt Ihr nicht mit?«
    Der Ohab schüttelte mit einem angedeuteten Lächeln den Kopf. »Nein. Ich bin alt, alt und müde. Ich muss nicht mehr fliehen. Meine Aufgabe ist erfüllt.«
    »Aber …« Zu mehr kam Illwar nicht, als ihn rettende Hände wegzerrten. Drei Männer führten die beiden samt Frauen und Kinder weiter in das Labyrinth hinein. Der Rest der Kämpfer schloss sich mit einigem Abstand an.
    Der alte Mann blieb regungslos an seinem Platz sitzen. Er lächelte. Er wusste, was ihn jetzt erwartete, aber es war ihm egal. Er – der Bund – hatte seine Aufgabe erfüllt.
    * * *
    Ludewig verachtete dumme Menschen. Ein so guter Kämpfer und sein Leben so nutzlos weggeworfen. Er beobachtete mitleidlos, wie die muskelbepackte Gestalt röchelnd zusammensank. Sie sank auf die Knie, dann riss ihr der Soldat das Schwert aus der Brust. Der schwere Körper klatschte wie ein nasser Sack auf den Fußboden. Das Echo dröhnte noch in seinen Ohren, als Ludewig seine Leute vorwärtstrieb. Er trampelte über den toten Anführer dieser hinterhältigen Bastarde hinweg. Sieben weitere Männer hatte er in der Falle dieser Bauern verloren. Allein drei erschlug das Muskelpaket. Es war gut, lobte sich der Oberst selbst, dass er die Armbrüste hatte mitnehmen lassen. Darauf war dieses Bauernpack nicht vorbereitet gewesen. Obwohl ihr Anführer selbst mit einem Bolzen in der Schulter weitergekämpft hatte. So eine Verschwendung von brauchbarem Material. Dummheit! Pure Dummheit.
    Seine Männer drangen weiter vor. Nach nur kurzer Zeit standen sie am Eingang einer Kammer. Ludewig