Dihati Qo – Die, die sind
aneignen, was man bereits besitzt. Es schmerzt fürchterlich, einen Teil seiner Seele zu verlieren.« Schwermut ergriff die alte Dame. Sie sackte in sich zusammen. Norak fing sie. Er geleitete sie zu ihrem Stuhl. Dankbar setzte sie sich hinein.
Norak schuf mit seinem Gürtel eine provisorische Scheide und steckte das Seraphenschwert hinein. Er blickte besorgt zu der Frau und dann zu seinem Freund.
Eric versuchte das Thema zu wechseln, was ihm nicht glückte. »Ist Biwda’ Gef Euer wirklicher Name? Wart Ihr schon immer ein Orakel?«
Die alte Dame schüttelte halb belustigt, halb verbittert den Kopf. »Mein alter Name tut nichts zur Sache. Ich bin nicht mehr die, die ich einst war. Jetzt bin ich Biwda’ Gef. Ich kann Euch von Eurer Zukunft berichten. Allerdings ist meine Erinnerung – verblasst.«
»Mit Verlaub, Ihr erinnert mich an eine andere Frau, die im Schaukelstuhl saß und Probleme mit ihrer Erinnerung hatte.«
»Ach ja? Wer war das?«
»Die Amme König Porans.«
»Oh. Ja, die arme Frau.«
»Doch sie gab noch vor mit Eulen zu reden«, warf Norak ein.
Das Orakel horchte auf. »Tust Du das nicht? Sprich!«
Norak zuckte vor ihrem Ton zurück. »Nicht direkt. Ich …«
Sie nagelte den Novizen mit ihrem Blick fest. »Lässt Du Gennohs Geist so wenig durch, dass Du Dich Deiner Hauptinformationsquelle beraubst?«
Norak wand sich. »Ich …«
»Los, sag! Hast Du noch nie mit Eulen geredet?« Ihre Stimme schnitt durch jeden Widerstand, auch durch Starrsinn.
Norak senkte den Kopf. Es war ihm peinlich. »Doch. In einem Traum.«
Die Dame atmete erleichtert aus. »Ihr beide dürft dies nicht von Euch weisen. Die Eulen helfen Euch. Gennoh war – ist ein Animor Ulelo . Ein Eulenbeschwörer.«
»Was bedeutet das?«
»Gennohs Geist kann sich durch Eulen anderen mitteilen. Eulen dienen ihm. Sie sind seine erweiterten Augen und Ohren. Sie kommen zu Hilfe, wenn er ruft.«
»Das Burr-Thal!« Endlich verstand Norak. »Die Eulen halfen uns im Burr-Thal. Ich habe sie tatsächlich um Hilfe gerufen.«
»Dieses Wissen hätte uns das eine oder andere Mal nützlich sein können«, bemerkte Eric.
»Ach, wir haben es doch auch so geschafft.« Norak grinste seinen Freund schelmisch an.
»Ich hoffe«, warf die alte Dame ein, »Ihr schafft es auch in Zukunft ohne zusätzliche Hilfe. Ich kenne Euer Ziel. Tang Ok ist ein gefährlicher Gegner. Selbst wenn Ihr ihn bezwingt, hilft Euch das nicht. Ihr müsst Euren Feind erkennen!«
»Wir werden es mit ihm aufnehmen.« Erics Kiefer knirschten entschlossen. »Könnt Ihr, oh Orakel uns etwas über unser Ziel verraten?«
»Euer Ziel ist mächtig. Die Konfrontation wird Euch Freud und Leid bringen …« Ein Mundwinkel der alten Frau zuckte. Sie sog scharf Luft durch die Zähne. »Meine Erinnerungen! Sie verschwimmen.« Das Orakel schloss schmerzend die Augen. »Mein Kopf. Fragt nicht mehr. Ihr wisst schon!«
Nein, das taten sie nicht. Aber Besorgnis lag auf den Gesichtern der Freunde und sie kamen dem Wunsch nach. Was mochte diese arme Frau durchgemacht haben?
Eine willkommene Verheißung hatte das Orakel aber noch. »Ihr solltet aufbrechen. Von hier aus kommt Ihr zurück in Eure Welt. In den hinteren Gärten befindet sich ein Portal, das als Verbindung zwischen den Welten dient. Unser ungebetener Gast hat es benutzt. Dies wiederum lässt mich nicht für meine langjährige Freundin hoffen.«
»Eure Freundin? Was ist mit ihr?«
»Ihr habt sicher schon von dem Bund gehört, der das Wissen für die Dihati überliefert. Ich bin die Initiatorin dieses Bundes, wenn man so will. Menschen wie sie haben mich unterstützt.« Sie seufzte. »Sie war die Hofseherin König Porans. Bitte schaut, ob Ihr etwas für sie tun könnt. Euretwillen verteidigte sie das Portal auf der anderen Seite. Wir hatten den Zugang magisch getarnt, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis Tang Ok ihn fand.«
»Hätte er nicht unseren Weg nehmen können? Es gibt doch mehrere Möglichkeiten, in diese Welt zu gelangen.«
»Aber nur zwei Wege zu diesem Anwesen«, erwiderte das Orakel. »Über das Portal im Garten, oder am Culum vorbei. Tang Ok mag den alten Drachen aus irgendwelchen Gründen nicht.« Sie lächelte bösartig. Eine ihrer Erinnerungen kam durch. Sie teilte sie nicht.
* * *
Obwohl die Begegnung mit der alten Dame kurz war, verabschiedeten sich die Freunde schweren Herzens von ihr. Die beiden fühlten sich zu ihr hingezogen, wie zu einer Verwandten. Da sie sonst keine mehr hatten, wog der Schmerz
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