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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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behalten.«
Sein Blick war verschleiert, fast so, als triebe ihm seine eigene Rhetorik Tränen in die Augen. »Denk darüber nach. Ich würde in Himmlers Augen glänzen. Und ich könnte ein Held der Engländer werden – Harolds Grab war der erste Ort, den ich nach der Invasion besucht habe. Sie würden die Ziel-Mauer niederreißen und mir Blüten auf den Weg streuen …«
    Ben sah, dass dieser Mann nicht die geringste Ahnung hatte, womit er da herumspielte; er begriff nicht, dass er – wenn diese Prophezeiung die beabsichtigte Wirkung erzielte – mit hoher Wahrscheinlichkeit aus dem Dasein gelöscht werden würde, zusammen mit Ben, Himmler und den Beifall klatschenden Engländern.
    Trojan wandte sich ihm zu. »Erkennst du jetzt, was für hohe Ziele ich verfolge? Selbst ein Jude kann seinen Verstand gebrauchen. Und ich hoffe, du wirst meine intellektuelle Erregung in gewissem Maße teilen.« Dann änderte sich seine Miene und wurde berechnender. »Natürlich kommt es vor allem auf die Geste an. Selbst wenn der Webstuhl nicht funktioniert, wird allein schon der Versuch Himmels Fantasie anregen. Also, was meinst du?«
    »Ich meine, dass mir gar nichts anderes übrig bleibt, als mit Ihnen zusammenzuarbeiten.«
    »Aber mir liegt viel daran, dass du mit mir zusammenarbeiten willst , Benjamin Kamen. Kannst du das?«
    »O ja, Herr Standartenführer, das kann ich«, sagte Ben. Er schaute auf das Menologium hinab und überlegte schnell. »Vielleicht könnte ich diesen Entwurf
studieren. Ihn ein bisschen aufpolieren. So dass mehr von mir in ihm steckt.«
    »Ja!« Trojan klatschte in die Hände. »Gute Idee. Behalte ihn, arbeite daran. Vielleicht hilft dir das, dir das ganze Projekt zu eigen zu machen. Ich glaube, das reicht für heute. Ich habe noch andere Aufgaben. Aber du hast nur eine Aufgabe, Benjamin – schlaf! Und schlaf gut.« Er wandte sich bereits anderen Papieren zu.
    Ben drückte das Menologium an seine Brust, drehte sich um und ging zur Tür. Und er begann darüber nachzudenken, wie er die Gelegenheit nutzen konnte, um einen Hilferuf auszusenden.

XX
    Im Kühlschrank waren ein paar Flaschen Bier.
    Gebadet, in einen Morgenmantel gehüllt, pappsatt und ein wenig betrunken von seinem ersten Alkohol seit über einem Jahr, setzte Gary sich vor den Fernseher. Zu Bildern von spektakulären Vorstößen im Osten und in Afrika waren ernste deutsche Stimmen zu hören. Gary hatte keine Möglichkeit herauszufinden, wie viel von dem, was sie sagten, der Wahrheit entsprach. Andere Stimmen berichteten von düsteren Neuigkeiten aus dem Rest Großbritanniens, von einer hungrigen, frierenden und demoralisierten Bevölkerung, der im Winter bevorstehenden Hungersnot, der Flucht der Menschen aus Städten wie Birmingham und Manchester. Es gab sogar Bilder von Schlangen an der Winston-Linie; man sah besiegte Engländer, die lauthals um Einlass ins Reichsprotektorat baten, und lächelnde Wehrmachtssoldaten, die Dosenfleisch und Schokolade für die Kinder verteilten.
    Dann folgte ein von der SS finanzierter Dokumentarfilm, der die kosmologischen Ideen eines gewissen Hanns Hörbiger illustrierte, eines österreichischen Ingenieurs. Gary verstand nur einen Bruchteil des
deutschen Kommentars, entnahm jedoch den Bildern, worum es im Großen und Ganzen ging.
    Hörbiger behauptete, das Universum werde von Wärme angetrieben, wie eine gigantische Dampfmaschine. Ein Zeichentrickhimmel füllte sich mit winzigen Sternen, so kalt, dass sie von Eis ummantelt waren, und heißen Riesensternen. Wenn die Eissterne in ihre heißen Nachbarn stürzten, gab es spektakuläre Explosionen, bei denen Planeten und Monde versprüht wurden wie Funken eines Feuerwerks. So war die Erde entstanden. Anfangs hatte die Erde eine ganze Familie von Monden besessen, die aus Eis bestanden – so wie der noch vorhandene Mond, der Letzte seiner Art. Einer nach dem anderen stürzten die Monde auf die Erde und verursachten ungeheure Kataklysmen. Gary sah zu, wie die Erde wiederholt von Eis überzogen wurde; eisfrei blieb nur ein zentraler Gürtel, wo der herabstürzende Mond gewaltige Gezeitenfluten erzeugte. Die letzte solche Katastrophe habe sich vor elftausend Jahren ereignet, sagte Hörbiger; das Leben habe nur in ein paar Schlupfwinkeln überdauert.
    Diese erstaunliche Kosmologie erklärte vieles, von der wahren Bedeutung der skandinavischen Schöpfungsmythen bis zum Untergang von Atlantis. Und sie war der Grund, weshalb selbst nach Jahren eifriger Suche niemand auch

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