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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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zerschlissenen Bauernmantel und die Schulblazer und Gabardinemäntel der Kinder. Seine schmutzigen Stiefel ließ er in der Diele stehen, so dass er auf Strümpfen in die Küche gehen musste. Dort war es warm, und es roch nach Kochdünsten. Es war ein weiterer Gedenktag, Coronation Day, der Jahrestag der Krönung König Edwards, die ihm zuvor aufgrund seines Thronverzichts versagt geblieben war. Ernst hatte wieder einmal ein Stück Fleisch besorgen können, einen Schweinebraten; er roch ihn im Backofen, während Pfannen mit Gemüse dampfend auf dem Herd standen.
    Nur Irma war da, mit der kleinen, sechs Monate alten Myrtle in ihrem Kinderbett. Irma schmückte gerade den Weihnachtsbaum, eine etwa anderthalb Meter hohe Tanne. Es gab auch eine Weihnachtskrippe, einen Stall mit kleinen Holzfiguren, der auf dem Kaminsims über dem Herd aufgebaut war. Myrtles Babytasche, ihr brotbeutelartiger Schutz vor Giftgas, lag auf dem Boden neben dem Bettchen.
    »Hallo, Herr Obergefreiter.« Irma sah wie immer müde aus. Sie strich sich eine Strähne des glatten Haars aus den Augen. »Möchten Sie eine Tasse Tee?«

    »Danke. Ich warte lieber aufs Abendessen. Das Fleisch riecht herrlich.«
    »Ich habe es gesalzen, damit es eine Kruste bekommt, so wie Sie es mögen. Danke für den Braten, Ernst.«
    »Danken Sie nicht mir, sondern dem König …«
    In Wahrheit war Ernst nicht sicher, wie lange es ihm noch gelingen würde, solche Leckerbissen zu beschaffen. Da sie nun mit Amerika im Krieg lagen, würde das Leben für alle im Protektorat, Deutsche wie Engländer, härter werden. Aber es war nicht nötig, das ins Heim der Familie zu tragen, nicht an diesem Abend mit einem Weihnachtsbaum und einem Braten im Ofen.
    Pflichtgemäß begutachtete er den Baum. Er war mit Girlanden aus einer Art Metallfolie, zu Ketten geformten Papierstreifen und bunten Kugeln aus Wollresten geschmückt. Eine Reihe kleiner hölzerner Schlachtschiffe, die an Fäden von den Zweigen hingen, verliehen ihm eine seltsame Note. Es gab sogar einen aus Holz geschnitzten und ungeschickt von Hand bemalten Engel, der mit einem Stück Schnur an die Spitze des Baumes gebunden war. »Er ist hübsch.«
    »Tja, ich tue mein Bestes. Wir haben eine Schachtel mit Sachen, die wir jedes Jahr vom Dachboden holen. Fred hat den Engel gemacht, und sein Vater hat die Krippe gebastelt. Der war ein richtiger Tischler.«
    »Woraus besteht dieses Lametta?«
    »Aus Düppelstreifen, von den RAF-Bombern. Die findet man überall auf den Feldern.«

    »Wozu die kleinen Schlachtschiffe? Die sind doch für den Scharnhorst -Tag letzten Montag ausgegeben worden. Sie hätten die Krönungsmedaillen des Königs nehmen sollen.« Jedes Kind unter sechzehn hatte eine der aus oblatendünnem Blech gestanzten Medaillen bekommen.
    Irma machte ts , ts . »Erzählen Sie das mal Fred. ›Ich will das Bild dieses verdammten Usurpators nicht an meinem verdammten Baum sehen.‹ Außerdem steckt die kleine Myrtle sie in den Mund.«
    Viv kam aufgeregt herein. Sie trug noch ihre Schuluniform, aber Ernst sah, dass sie ein wenig Lippenstift aufgelegt hatte – zweifellos seinetwegen. »Guten Abend, Ernst! Ich habe Sie reinkommen hören.«
    »Ich muss laute Strümpfe haben.«
    »Wie finden Sie die Krippe? Die hab ich aufgebaut.«
    »Sehr schön.«
    »Sehen Sie, was ich gemacht habe?« Sie hob das Jesuskind aus seiner Krippe. Die winzige Puppe, so klein, dass sie in ihre offene Hand passte, war sehr fein geschnitzt, wenn auch durch häufige Berührung abgenutzt. Und sie hatte einen gelben Stern auf der Brust, ausgeschnitten aus Papier und mit einem Klecks Kleister befestigt. Viv zwinkerte Ernst zu, einer ihrer häufigen Versuche, ihn in eine private Verbindung hineinzuziehen. Ernst schwieg. Sie legte die Figur wieder in die Krippe und kam auf das Thema zu sprechen, das ihr offenkundig unter den Nägeln brannte. »Ich habe mich gerade gefragt, ob es schon Neuigkeiten über das Austauschprogramm gibt.«

    Tatsächlich hatte er sich im Rathaus von Hastings an diesem Tag danach erkundigt. »Meines Wissens ist noch alles beim Alten. Allerdings ändert sich die Kriegslage täglich, ja sogar stündlich. Alles ist« – er suchte nach der richtigen Redewendung – »up in the air .« In der Schwebe.
    »Ich verstehe das nicht. Was macht es schon aus, wenn die Japaner in Hawaii einen Haufen amerikanischer Boote bombardieren? Ich freue mich schon so darauf, dass ich rübergehe. Ich meine, es wird toll sein, Berlin zu sehen!«
    »Ach,

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