Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin
liegt seinen Mitmenschen weniger auf der Tasche. Auch Präventionsmaßnahmen kosten fast immer mehr, als sie einsparen helfen – ein Schluss, zu dem die Wirtschaftswissenschaftlerin Louise B. Russell schon 1986 in ihrem Buch «Is Prevention Better Than Cure?» kam und der seitherin zahlreichen Studien bestätigt wurde. Der einzige Punkt, an dem die Gesellschaft ein berechtigtes Einmischungsinteresse hat, sind Impfungen, denn nur bei einer hohen Durchimpfungsrate entsteht eine «Herdenimmunität», die die Ausbreitung von Infektionskrankheiten eindämmt. Zum Glück wird man normalerweise von den Eltern gezwungen, sich impfen zu lassen, und kann eigene Kinder dazu zwingen. Was bekanntlich viel einfacher ist, als sich selbst zu irgendetwas zu bewegen.
Während der Wunsch, LOBOs sollten öfter mal zum Arzt gehen, vorwiegend von außen an sie herangetragen wird, sind die dominierenden Gesundheitsvorsätze in Selbsthilfeforen «Endlich mal regelmäßig Sport treiben» und «Endlich mal konsequent Diät halten». Beides zusammen ist für gefühlte 90 Prozent aller öffentlich geäußerten guten Vorsätze verantwortlich, und an Tipps und Tricks, wie man «den inneren Schweinehund überlistet», herrscht kein Mangel.
Wer sich immer wieder mit Tricks dazu überwinden muss, joggen zu gehen oder im Fitnessstudio langweilige Dinge zu tun, sollte sich fragen, ob er sich nicht einfach für die falsche Beschäftigung entschieden hat. Es ist ja kein Ding der Unmöglichkeit, die für einen selbst passende Form körperlicher Betätigung zu finden: Man erkennt sie daran, dass sie Spaß macht und man sich nicht zu ihr zwingen muss. Eventuell macht Treppensteigen auf dem Stairmaster ein oder zwei Menschen auf der Welt wirklich Spaß, es gibt ja die seltsamsten Dinge da draußen. Aber wer schon ahnt, dass er keine dieser zwei Personen ist, der kündige sein Abo fürs Fitnessstudio und fange mit dem Geld was Lustigeres an.
Gegen dieses Abo spricht übrigens nicht nur die Langweiligkeit von Fitnessstudios. Wie die Wirtschaftswissenschaftler Stefano DellaVigna und Ulrike Malmendier 2006 herausfanden, zahlen Inhaber von Fitnessstudio-Monatsabos proBesuch im Schnitt 70 Prozent mehr, als wenn sie sich Einzel- oder Zehnerkarten kaufen würden. Ein Fitnessstudiobesucher, der keine Lust mehr hat und dessen Abonnement sich automatisch verlängert, braucht im Durchschnitt weitere 2,29 Monate, um zu kündigen. Wer ein Abonnement abschließt, tut das vermutlich im Glauben, man könne sich auf diese Art leichter motivieren, regelmäßig Sport zu treiben. Genau das Gegenteil tritt ein: Die Wahrscheinlichkeit, dass man das Fitnessstudio nach einem Jahr immer noch aufsucht, liegt bei Jahresabos
niedriger
als bei Monatsabos. Denselben Effekt kann jeder an Menschen beobachten, die sich ein Trimmrad zugelegt haben: Erkundigen Sie sich ruhig im Bekanntenkreis, wie viele Besitzer eines Trimmrads das teure Gerät auch nur unregelmäßig benutzen – und zwar nicht, um die gebügelten Hemden dran aufzuhängen.
«1997 zog ich in Berlin um. Der Transport einer Waschmaschine in den vierten Stock eines Mietshauses führt einem die eigene Kurzatmigkeit erbarmungslos alle drei Stufen vor. Ich beschloss zu handeln und mich beim Fitnessstudio, glücklicherweise kaum mehr als 100 Meter entfernt, anzumelden. Ich hatte die Wahl zwischen einer unverbindlichen Tageskarte, zehn Trainingseinheiten für 120 DM, und einem Jahresvertrag für 600 DM. Im festen Glauben, dass ich regelmäßig dorthin gehen würde, entschied ich mich für den Vertrag. Im folgenden Jahr war ich fünf Mal dort trainieren, weil der Waschraum ein schlechtes Karma hatte (120 DM/Training). 1998 kaufte ich, obwohl vollkommen pleite, einen teuren Hometrainer. Meine strategische Begründung war gut durchdacht: ein derart teures Gerät würde ich wohl kaum herumstehen lassen. Entsprechend benutzte ich es mindestens sechs Mal, zweimal davon für Filmaufnahmen, bevor ichdurch glückliche Fügung einen gutbezahlten Job bekam. Entsprechend wurde es schlagartig weniger schmerzhaft, ein teures Gerät nicht zu benutzen; die Folgen lassen sich erraten (250 DM/Training). 1999 ließ ich mich durch ein Studio, das zwar 40 Fahrminuten von meiner Wohnung entfernt, aber in Fahrradweite der Wohnung meiner Freundin lag und vor allem 24 Stunden am Tag geöffnet war, derart beeindrucken, dass ich einen Jahresvertrag abschloss. Meine Freundin zog um. Ich besuchte das Studio vier Mal,
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