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Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin

Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin

Titel: Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Kathrin / Lobo Passig
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direkt zum zuständigen Staatsarm, dem Mahngericht, oder die offene Rechnungwird für einen Bruchteil der Forderung an die Mahnindustrie verkauft und verwandelt sich in eine Art Spekulationsobjekt für Inkassounternehmen. Der Käufer versucht nun, die Forderung einzutreiben, ohne selbst allzu viel Geld auszugeben. Das passiert in automatisierten Prozessen mit Briefen, vielen Briefen, einer unfassbaren Anzahl von Briefen. Ein einziger Vorgang kann leicht zehn Briefe hervorbringen, denn jede erneute Zustellung erhöht den Prozentsatz der endlich doch Bezahlenden. Etwa im dritten Brief bietet das Inkassobüro oft an, die Forderung um bis zu 50   Prozent zu reduzieren, falls man sie innerhalb einer gewissen Frist begleicht. Forderungen unter einer gewissen Summe, die je nach Unternehmen bis zu fünfzig Euro beträgt, werden nach ein paar Briefen nicht weiter verfolgt. Auch hier gilt das Nichtstu-Gebot; es ist nicht sinnvoll, sich bei einem Inkassobüro telefonisch zu melden. Denn dort weiß man: Bei Menschen, die sich kümmern, ist eher Geld zu holen. Deshalb bekommen sie seltener einen Nachlass, und noch seltener werden die Bemühungen bei kleinen Beträgen eingestellt. Ansonsten endet der Briefverkehr mit Inkassobüros früher oder später mit der Bezahlung – oder beim Mahngericht.
    Das Mahngericht ist eine unerbittliche Instanz und gewissermaßen der Fährmann über den Styx zwischen Vorhölle Post und der Unterwelt des staatlichen Zwangs. Wie in der Natur, wo Gelb als Signalfarbe für giftige Tiere gilt, versendet auch das Mahngericht gelbe Umschläge, die sogenannten förmlichen Zustellungen. Vor ihnen droht akute Gefahr, wenn man wie die meisten LOBOs «akut» als «binnen weniger Wochen» versteht. In den gelben, mit einem Datum versehenen Umschlägen findet sich zunächst ein Mahnbescheid. Diesem kann man mit einer Frist von zwei Wochen widersprechen – falls man der Meinung ist, er sei unbegründet. Der Gläubiger müsste dann vor Gericht auf Zahlung klagen.Was er gar nicht so oft tut, wie man glaubt, aber häufiger, als man hofft.
    Widerspricht man dem Mahnbescheid nicht, erlässt das Mahngericht einen Vollstreckungsbescheid, das heißt, von nun an schuldet man den dort eingetragenen Betrag wirklich und wahrhaftig und amtsbekannt – bis hierher war alles privatwirtschaftliche Vertrags- und damit letztlich Auslegungssache. Der Vollstreckungsbescheid gelangt ebenfalls per förmlicher Zustellung in gefahrengelbem Umschlag zum Adressaten. Es handelt sich dabei um eine Ankündigung, dass demnächst der Gerichtsvollzieher vorbeischauen wird. Auch jetzt besteht noch die Chance, die ausstehenden Gelder samt Gebühren zu bezahlen und so die Angelegenheit für den Staat zu erledigen. Andernfalls setzt sich der Gerichtsvollzieher mit dem Schuldner in Verbindung. Das kann je nach Bezirk und Arbeitsbelastung zwischen ein paar Wochen und mehr als einem Jahr dauern. Gerichtsvollzieher schreiben einen Brief, in dem sie einen Termin für einen Hausbesuch vorschlagen. Eine Kontaktaufnahme zum Beispiel zwecks Terminverschiebung ist keine einfache Aufgabe, denn deutsche Gerichtsvollzieher haben die merkwürdigsten und kürzesten Kontaktzeiten der Welt («telefonische Sprechstunde montags von 8.00 bis 9.00   Uhr»).
    Steht der Gerichtsvollzieher schließlich vor der Tür, erweist er sich in den meisten Fällen als nette Person. Trotzdem kann man ihn mittelfristig nur mit Geld befriedigen. Anfangs wird er über verschiedene Zahlungsmodalitäten und -zeiträume mit sich reden und sich sogar ein- oder zweimal vertrösten lassen. Dann aber wird er unerbittlich und kommt je nach Fall mit einigen kräftigen Personen oder der Polizei zurück. Er darf sich Zugang zur Wohnung verschaffen, um darin nach Pfändbarem zu suchen. Gutgelaunte Gerichtsvollzieher tun das nur oberflächlich, weil sie wissen, dass sich inGläubigerwohnungen selten Wertpapiere oder größere Summen Bargeld finden. Schlechter gelaunte Gerichtsvollzieher zücken eine Liste mit Dingen, die sie pfänden dürfen, indem sie sie mit einem Siegel versehen oder vom Hilfspersonal mitnehmen lassen.
    Wer eine besonders ungünstige Methode sucht, seine Schulden zu begleichen, der sollte diesen Weg wählen, denn gepfändete Gegenstände fließen zu extrem geringen Sätzen in die Rechnung ein; für Unterhaltungselektronik oder Computer sind zehn Prozent des Neuwerts keine Ausnahme. Gerichtsvollzieher dürfen unter bestimmten Voraussetzungen auch ein Konto pfänden lassen, es

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