Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin
immer noch hundert andere Dinge dazwischenkommen. Aufgaben bleiben unerledigt, und dann steht die Liste da und schaut einen vorwurfsvoll an. Das so erzeugte schlechte Gewissen führt dazu, dass mansich Augen und Ohren zuhält, «lalala, ich guck gar nicht hin!» ruft und am Ende noch weniger tut, als man ohne To-do-Liste vielleicht versehentlich geschafft hätte. Falls es trotz dieser Fülle von Hindernissen doch einmal gelingt, die Punkte auf der Liste abzuarbeiten, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man seine Zeit mit banalem, leicht auflistbarem Kleinkram vergeudet hat, anstatt sich den wichtigen, aber weniger scharf umrissenen Aufgaben zu widmen. Paul Graham warnt in seinem Essay «Good and Bad Procrastination»: «Jeder Ratschlag zum Thema Prokrastination, der sich um das Abhaken von Einträgen auf der To-do-Liste dreht, ist nicht nur unvollständig, sondern geradezu irreführend, wenn er nicht die Möglichkeit berücksichtigt, dass die To-do-Liste selbst eine Form der B-Prokrastination [also der schädlichen Prokrastination] darstellt. Genaugenommen ist ‹Möglichkeit› noch zu vorsichtig ausgedrückt. Es ist bei fast allen To-do-Listen so.» In der Tat gehört das Anlegen ausführlicher Listen dessen, was man alles zu tun gedenkt, zu den Klassikern der Prokrastination. Julie Morgenstern, die Autorin von «Making Work Work», schätzt, dass dreißig Prozent aller Listenanleger mehr Zeit mit der Verwaltung ihrer Listen zubringen als mit dem Erledigen des Aufgelisteten. Und gerade, weil das Aufschreiben so wunderbar viel Zeit kostet, wird ein guter LOBO danach sofort mit gutem Gewissen – denn er hat ja irgendwas getan – die Existenz der Liste vergessen.
Falls man sich trotz dieser Nebenwirkungen ins Hamsterrad der To-do-Liste begeben möchte, hier ein paar praktische Tipps: To-do-Listen lassen sich nur dann länger als ein bis zwei Wochen führen, wenn man sie gern und freiwillig führt. Das bedeutet, dass man zum Aufschreiben ein Medium braucht, das man entweder ohnehin bereits ständig verwendet oder das so toll und funkelnd ist, dass man es schon immer mal ständig verwenden wollte. Wer überall einNotizbuch mit sich herumträgt, nimmt das Notizbuch. Wer seinen Rechner beim Aufwachen aufklappt und erst beim Schlafengehen wieder schließt, kann vom hochspezialisierten To-do-Listen-Tool bis zum Texteditor alles benutzen, was ihm attraktiv erscheint. Auf konkrete Vorschläge verzichten wir an dieser Stelle, weil wir das Buch nicht alle paar Monate aktualisieren wollen und weil das Tool sowieso nicht die neuesten technischen Schnörkel enthalten muss. Viel wichtiger ist, dass es zu den Gewohnheiten seines Benutzers passt.
In ein paar Punkten sind sich alle Erfinder von To-do-Methoden einig: Es hat keinen Sinn, Pläne wie «Doktorarbeit schreiben» auf die Liste zu setzen. Jeder Eintrag muss so weit heruntergebrochen werden, dass das Ziel auf jeden Fall heute noch, und zwar am besten innerhalb von fünf Minuten, erreicht werden kann. Die Aufgabe hat erst dann den idealen Umfang, wenn man sich bei jeder weiteren Untergliederung albern vorkommen würde («Stift in die Hand nehmen»). Es hilft, sich beim Aufschreiben vorzustellen, die Person, die den Auftrag schließlich erfüllt, sei nicht man selbst. Erstens bereitet man so den Boden für die gute Idee, die Aufgabe tatsächlich zu delegieren, zweitens hilft es bei ihrer präzisen Beschreibung.
Es folgen einige mehr oder weniger bewährte Techniken. Für LOBOs eignen sich zwar vor allem diejenigen, die
nicht
konsequent und regelmäßig durchgeführt werden müssen. Wir listen aber auch die Disziplin erfordernden Mittel auf, vielleicht inspirieren sie ja doch jemanden dazu, sich eine maßgeschneiderte Methode zusammenzustellen.
Die klassische «Ach, irgendwie»-Methode: Man schreibt alles, was man irgendwann mal erledigen sollte oder schon vor Jahren hätte erledigen sollen, unterschiedslos auf eine lange Liste, die man dann abarbeitet, wie es gerade passt.
Vorteile: Erfordert kein Nachdenken. Verursacht relativ wenig schlechtes Gewissen und geht nicht gleich kaputt, nur weil man die Liste mal ein paar Wochen lang ignoriert.
Nachteile: Wenig effektiv. Es kann Jahre dauern, bis bestimmte Punkte von der Liste verschwinden.
Eignet sich für: Geduldige.
David Allens «Getting Things Done»-Methode: Dieses Methodenbündel ist zu komplex, um es hier zu beschreiben. Das macht aber nichts, denn wie jeder schlecht organisierte Mensch haben Sie David
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