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Dinner for One auf der Titanic

Dinner for One auf der Titanic

Titel: Dinner for One auf der Titanic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koglin
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geöffnet. Er schob sein Ohr nach vorn.
    »Immer schön gleichmäßig drehen, und ja, und ja, und ja.«
    Der Mann war ganz und gar in seinem Element. Völlig weggetreten.
    »Ein wenig Bewegung soll gut tun«, stöhnte Miss Sophie und wandte sich an Kapitän Smith, der schnaufend an einer Turnstange lehnte.
    »Ja, wer rastet, der rostet. Aber bist du wirklich ganz sicher, mein Werben so mit Füßen zu treten?«
    Der Kapitän machte ein leidendes Gesicht. Wie vertraut sie miteinander waren! Ein Skandal. Und der Altersunterschied! Dieser Smith hätte gut und gerne ihr Vater sein können.
    Miss Sophie warf ihm einen abschätzenden Blick zu.
    »Nun, die Jagd ist wichtig in der Liebe, aber muss es denn gleich eine Safari sein? Außerdem bin ich in eiligen Geschäften unterwegs.
    «Miss Sophie trat kräftig die Pedale durch.»
    Und ich bin dein Herold, Sophie, ich werde dich sicher nach New York geleiten.«
    »Aber geht es nicht ein bisschen schneller, du toller Herold«, flötete sie.
    »Befiehl, dass die Titanic fliegt, und sie wird fliegen.«
    Der Kapitän breitete die Arme aus.
    »Hübsche Vorstellung. Nun brauchen wir uns nicht gleich zu echauffieren. Wie sieht denn das aus? An Land erwarten mich übrigens eilige Geschäfte.«
    »Aber warum, Sophietäubchen, schlägst du meine Einladung aus? Ich fasse es nicht. Ein Candle-Light-Dinner in einem Dachgarten-Restaurant über dem Hafen von New York. Hummer Thermidor und einen Eimer Kaviar, Champagner ...«
    »Und du bist sicher, dass du nicht der Verfasser dieses Briefes bist, der gestern unter meiner Kabinentür durchgeschoben wurde?«
    James zuckte zusammen. Hätte er Smooth Gentle nur nie um diesen Gefallen gebeten. Aber er hatte sich ja geradezu aufgedrängt, für ihn diese Briefe zu schreiben!
    »Nein, leider nicht«, sagte Kapitän Smith. »Aber ich werde mich sofort an ein leeres Blatt setzen und mein Innerstes zu Papier bringen.«
    »Ich fürchte, dabei könnte es doch zu unappetitlich zugehen. Du solltest dich besser um dein Schiff kümmern. Würden wir einen Tag früher in New York einlaufen, nun, dann wäre Zeit und Gelegenheit ...«
    »Gelegenheit?« Kapitän Smith strich über seinen Bart.
    »Für unser Dinner zu zweit?«
    Die Augen des Kapitäns bekamen einen eigentümlichen Glanz.
    »Ein Versprechen, Sophie?«
    »Ein eiliger Herold bekommt eine Belohnung. Wenn du es früher schaffst, nun ...«
    Das also hatte sie vor. Sie hetzte den Kapitän mit ihren lüsternen Andeutungen und Versprechungen über den Atlantik. Sie wollte so schnell wie möglich das Bild von Bord und zu irgendeinem Hehler schaffen. Das hatte sie sich fein überlegt. Die Titanic läuft einen Tag früher ein, und die Kontrollen der Hafenbehörden sind in dem allgemeinen Durcheinander sicher eher oberflächlich.
    Auch über das Verschwinden dieses Fürsten Andrej Balgakov würden sicher erst nach einigen Tagen Nachforschungen angestellt. Miss Sophie war wirklich gerissen. Nun, ihm war das recht. Jeder Tag früher in Amerika bedeutete einen Tag früher am Klondike, einen Tag früher am Gold.
    James schlenderte zurück in seine Kabine. Zeit, sich auszuruhen. In zwei Stunden musste er das Abendessen servieren.
    Auf dem Deck der dritten Klasse spielten zerlumpte Kinder mit einem Holzkreisel. Väter und Mütter saßen in derben Mänteln auf den Sitzbänken und blinzelten in die Sonne. Die Frauen hatten Tücher über den Kopf gezogen.
    Darüber, im Café Parisien, plauderten Passagiere der ersten Klasse. Zwei Damen, die ihre Hüte mit Seidenschals festgebunden hatten, nippten an ihren Kaffeetassen und vertieften sich wieder in die bordeigene Zeitung. Vor ein paar Stunden hatten die Stewards sie druckfrisch an die Passagiere verteilt.
    Auf dem Promenadendeck legte sich eine junge Frau in einen der Liegestühle. Zurück in seiner Kabine, begutachtete James den Riss in seinem Frack. Keine Frage, das musste rasch in Ordnung gebracht werden. Er warf ihn über den Stuhl und öffnete seinen Koffer. Irgendwo musste er noch einen dunklen Faden haben. Und wenn der nicht zu finden war, musste eben eine Sicherheitsnadel her. Auf die war Verlass.
    Sein Blick fiel auf das Innere des Kofferdeckels. Der Vorbesitzer hatte ihn zum Schutz der Kleidung mit Zeitungen beklebt. Deutlich war der Jahrgang zu erkennen. Die Zeitung stammte aus dem Jahr 1900. Dabei hatte ihm der Trödler gesagt, dass der Koffer keinesfalls älter als zwei Jahre sei. Lug und Trug, wohin man blickte.
    James rieb sich die Augen. Das konnte nicht

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