Dinner for One auf der Titanic
stimmen. Noch einmal blickte er auf das vergilbte Papier. Sicher, damals war er etwas jünger gewesen, aber der Mann auf dem abgebildeten Foto, das war doch zweifellos ...
In dem Artikel wurde von seinem Tod berichtet, von dem Verlust für die literarische Welt. In Paris war er angeblich gestorben und zu Grabe getragen worden. Doch wer lag wirklich in dem kühlen Grab auf dem französischen Friedhof von Bagneux? Und warum gab sich dieser Mann als tot aus, wenn er putzmunter auf der Titanic nach Amerika reiste?
Ausgerechnet diese Berühmtheit hatte er gebeten, seine Gefühle in einen Brief an Miss Sophie zu fassen. Kein Wunder, dass sie ganz außer sich geraten war.
James blickte auf den Tisch. Da fehlte doch etwas. Er spürte einen Stich im Magen. Wo um alles in der Welt war seine Pfanne?
* * *
»Haben Sie etwas gefunden?«, flüsterte Patsymoon Sterlingtree.
Finch-Meyers trat hinter der Stehlampe hervor und stieß hörbar die Luft aus.
»Wie kommen Sie in die Kabine von Oscar Smooth Gentle?«
»Nun, ich dachte mir, dass Sie hier sein müssten. Meine Spuren ...«
»Wovon um Himmels willen reden Sie?«
Finch-Meyers gestikulierte in der Luft.»
Von der Schiffsküche. Ich habe da an der Kartoffelschälmaschine eine Beobachtung gemacht.«
»Ach was! Aus der Kartoffelmaschine kommen gar keine Kartoffeln, sondern frischer Kaffee.«
»Aber nein. Sie wurde unsachgemäß bedient, und außerdem fehlen Vorräte.«
»Da werden sich Mitglieder der Mannschaft den Bauch vollgeschlagen haben.«
»Besonders Fleisch verschwindet in großen Mengen. Der Koch hat bereits eine Wache vor dem Vorratslager aufgestellt. Und außerdem ...«
»Kommen Sie zur Sache, Miss Sterlingtree.«
»Es wurde in die Bordapotheke eingebrochen.«
»Und was, liebe Miss Sterlingtree, soll das alles bedeuten? Wohin führt das? Was hat das miteinander zu tun?«
»Nun, der Fürst ist an Bord und schafft Schweinehälften beiseite ...«
»...bekommt eine Magenverstimmung und beraubt die Apotheke. Fein, Miss Sterlingtree, machen Sie nur weiter. Der Fall ist bei Ihnen in den allerbesten Händen.«
Finch-Meyers bat sie, ihn allein zu lassen, damit er seine Durchsuchung abschließen könne. Miss Sterlingtree nickte irritiert und verließ die Kabine.
Finch-Meyers vergewisserte sich, dass nichts auf seinen Besuch in der Kabine hindeutete. Dann glitt er hinaus und eilte den Gang hinunter. Dieser Fall wurde immer verwickelter. Smooth Gentle beschwor einen Mann, ihn zu erhören. Gleichzeitig schrieb er einen Liebesbrief an eine Frau. Es musste mit dem Verschwinden dieses Anarchisten zusammenhängen. Seine Nase trog ihn ganz sicher nicht. Mit einem hatte diese Sterlingtree allerdings recht. Wohin verschwanden die Schweinehälften?
Aus einem der Fahrstühle stürzte ihm ein Steward entgegen.
»Mr. Finch-Meyers, der Kapitän wünscht sie zu sprechen. Es ist dringend.«
»Ich komme gleich auf die Brücke«
»Im Frachtraum, Sir. Der Kapitän befindet sich im Frachtraum. Es ist etwas passiert.«
* * *
Hielt Miss Sophie ihn zum Narren? Hatte sie ihm die Pfanne weggenommen und an diese obskure Gestalt weitergegeben? Wollte sie ihn all seiner Zukunftspläne berauben, ihn mit diesem Diebstahl gefügig machen?
James duckte sich hinter ein Lüftungsrohr. Auf dem Peildeck richtete ein Offizier den Sextanten aus. Dabei war es noch helllichter Tag. Miss Sophie winkte hinüber und tat ganz so, als unternehme sie einen Spaziergang. Die Vorstellung hieß: Töchter aus feinem Hause schnappen frische Luft.
Dabei hatte ihr Ausflug sicher ein Ziel. James spürte so etwas. Sie hatte ihn mit einer Arbeit in der Kabine beschäftigen wollen. Was heckte sie aus? Ein Junge in einem Matrosenanzug trug ein Bilderbuch über das Deck. Die Zofe platzte fast vor Stolz darüber, wie hübsch sie den Kleinen herausgeputzt hatte.
Der Gesichtsausdruck, mit dem der Junge zu ihr aufblickte, kam James seltsam vertraut vor. Ja, das kannte er nur zu gut. Der Kleine fühlte sich wie das Kind einer dicken Mutter. Beschützt, sicher, und doch war es ihm ein wenig peinlich.
Auf dem Deck betrachtete ein Mann traurig den dünnen Schaum auf seinem Bierglas. Die Frau an seiner Seite wendete sich ablehnend zur Seite. Das Bier warm, die Frau kalt, auch das kam James nicht gerade unbekannt vor.
Miss Sophie schlenderte weiter über das Schiff. Vorbei am Rauchsalon der ersten Klasse und dann hinunter auf die Krankenstation.
»Ob Sie mir wohl mit einer Baldriantablette aushelfen
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