Dinner for One auf der Titanic
den Kapitän kümmern«, sagte Miss Sophie und griff zu ihrer Handtasche. »Wenn Sie das Bild geborgen haben, legen Sie das gute Stück doch bitte auf meinen Nachttisch.«
Sie rauschte aus dem Frachtraum. Da durfte er jetzt wieder ganz allein die Kohlen aus dem Feuer holen. Typisch. Wenn es um Arbeit ging, dann hatten diese feinen Herrschaften immer Wichtigeres zu tun.
James ließ die Angel hinab. Er versuchte, den Haken ein wenig hin und her schwingen zu lassen. Plötzlich spürte er einen Widerstand. Vorsichtig zog James an. Irgendetwas hatte er erwischt. Im Dunkeln der Kiste sah er ein verheißungsvolles Glitzern.
Warum sollte er eigentlich Miss Sophie mitteilen, dass er Erfolg gehabt hatte? Die Gier tat ihr gar nicht gut. Brachte sie nur auf dumme Gedanken. Machte Falten.
Behutsam zog James den Gegenstand durch die kleine Öffnung. Ein silbern glänzender Fressnapf.
»Nun, James, Petri Heil«, sagte eine Stimme aus dem Dunkel.
»Mr. Smooth Gentle!«
»Wenn ein Mann genau das tut, was eine Frau von ihm verlangt, wird sie bald nichts mehr von ihm halten«, sagte er.
»Ich weiß nicht, was Sie meinen. Ich komme hier nur meinen Pflichten nach.«
»Mit einer Angel? Lassen wir das Gerede. Der gute Andrej Balgakov hat mich eingeweiht, oder besser, er hat mir das Bild zum Kauf angeboten. Bevor er sich mit der Liebe infizierte.«
»Holen Sie es sich doch, Sir. Bitte sehr.«
»James, warum so feindlich? Nagt die Liebe so arg am treuen Butler-Herzen?«
Nein, er hätte Mr. Smooth Gentle auf keinen Fall beichten dürfen, dass er mehr Gefühle für Miss Sophie hegte, als es sich für einen Butler ziemte. Aber als Smooth Gentle ihn des Mordes an Andrej Balgakov bezichtigte, musste er schließlich irgendwie erklären, warum er sich in der Küche mit diesem Anarchisten gestritten hatte. Immer noch besser, als wenn dieser Smooth Gentle Einzelheiten über die dramatischen Ereignisse an der Kartoffelschälmaschine herausbekommen hätte. Dennoch, er hätte es für sich behalten sollten.
»James, eine Frau ...«
James ließ den Haken hinab in die Kiste.
»Nun drücken wir es anders aus, lieber James. Der einzige Unterschied zwischen einer Laune und einer Liebe besteht darin, dass die Laune etwas länger dauert. Einmal zu dicht herankommen, und schon ist die Liebe auf der Flucht.«
Sollte der mal seine Sprüche loslassen. Er wusste schon, wie es im Leben zuging.
»James, wollen Sie mich nicht an Ihrem Brummen teilhaben lassen?«
James warf die Angel in die Kiste und holte die Schnur langsam ein. Ein Widerstand! Er musste da etwas ziemlich Kapitales erwischt haben. Der Haken saß fest. James setzte alles auf eine Karte. Mit einem Ruck riss er die Angel hoch. Aus der Kiste drang ein furchterregendes Fauchen.
James beugte sich über die Öffnung und versuchte in der Dunkelheit etwas zu erkennen, da schnellte eine Pranke durch die Öffnung. Die gewaltige Kralle erwischte seinen Frack und riss ein Stück heraus. James schnellte zurück und rutschte von der Kiste.
»James, passen Sie auf sich auf«, sagte Smooth Gentle.»Eigenliebe ist der Beginn einer lebenslangen Romanze. Und sie kann das Leben verlängern.«
»Sir, das verdammte Vieh ...«
»Kommen Sie da herunter, James. Und nehmen Sie einen Schluck.«
Oscar Smooth Gentle zog einen silbernen Flachmann aus seinem Tweed-Jackett.
»Arbeit ist der Fluch der trinkenden Klassen.«
»Sir, ein Schluck kann sicher nicht schaden.«
»James, nicht die Vollkommenen sind es, die Liebe brauchen, sondern die Unvollkommenen. Ich habe Ihnen ein Angebot zu machen. Und zwar aus Freundschaft und Zuneigung.«
* * *
Mit einem Knacken gab das Schloss der Kabine nach. Finch-Meyers ließ den Generalschlüssel wieder in der Tasche verschwinden, und nachdem er ein paar Sekunden innegehalten hatte, huschte er hinein. Gut möglich, dass dieser Smooth Gentle den Anarchisten in seiner Kabine versteckte. Es gab durchaus Sympathien der Intelligenz für die Verrücktheiten dieser russischen Revolutionäre. Außerdem bestand ein eindeutiger Verdacht. Mit eigenen Augen hatte er gesehen, wie dieser Smooth Gentle ein Schweinelendchen nach dem anderen in einer Tasche unter dem Tisch hatte verschwinden lassen. Für wen diese beiseitegeschafften Speisen gedacht waren, lag auf der Hand.
Finch-Meyers schaltete die Kabinenbeleuchtung ein. Rasch verschaffte er sich einen Überblick. Der Mahagoni-Sekretär vor ihm war übersät mit Papieren. Aus einigen der herumstehenden Koffer quollen
Weitere Kostenlose Bücher