Dinner for One Killer for Five
seinen Blick von dem Magazin und starrte zur Decke. Vielleicht sollten sie gemeinsam dieses nasse und neblige Land verlassen. Auf nach Paris! Am Ufer der Seine brach der Frühling aus den Knospen der Bäume. Er meinte Blumen zu riechen, und dann drang der Klang der Glocken von Notre Dame an sein Ohr.
Sie beide in Paris! In der Stadt, in der sie den Standesdünkel mitsamt ihren Vertretern an den Laternen aufgeknüpft hatten. Auf nach Frankreich, in das Land der Freiheit, dem Land, das einem Butler ganz neue Möglichkeiten bot. Nun gut, man musste ja nicht gleich auf diesen gusseisernen Eiffelturm steigen, mit dem man vor einigen Jahren aus für ihn unerfindlichen Gründen die Stadt verschandelt hatte. Nein, der französischen Ingenieurskunst traute er nicht. Unten am Strand von Blackpool hatten sie ja auch so ein Monstrum hingesetzt. Aber Montparnasse, der Louvre und dann die Tuilerien! In das Moulin Rouge würde er lieber allein gehen. Später. Vor seinem inneren Auge zogen Miss Sophie und er auf einem Seine-Boot vorbei. Eng umschlungen. Sie waren die Einzigen an Bord. Zurück aus den glücklichen Bilderwelten seiner Träume, sah er sich in seinem Zimmer um. Karg war es, doch andererseits das letzte Refugium seiner kleinen Freiheit. Von diesem Zimmer aus würde er die Welt verändern. Ja, diese Kammer war seine Bastion, und er würde sie zu verteidigen wissen. Auch ohne die Hilfe dieses Admirals, der ihn betrogen hatte. Wollte am Ende nur seinen Kaiser wieder auf den Thron bringen. Dem Alten und Verkrusteten zu neuem Glanz verhelfen? Nicht mit James.
Neben dem Spiegel prangte das Bild von König Georg. Kurz entschlossen griff James zu seiner Pyjamahose, die unordentlich über einem Stuhl baumelte. Er stellte sich vor das Konterfei des Königs, deutete eine respektvolle Verbeugung an und verhängte das Bild.
Dreimal klopfte es an seine Tür. James zuckte zusammen. »Wir wollen doch nicht die Vorbereitungen für den Tee vergessen, nicht wahr, James?«
James knurrte eine Antwort. Dann warf er sich den Frack über. »Sehr wohl, Miss Sophie.«
* * *
Der Chefinspektor wies Oggerty an, Susan Allen in das improvisierte Vernehmungszimmer zu rufen. Sie war im Club so eine Art »Mädchen für alles«. Ihre langen blonden Haare fielen in Strähnen über das Gesicht, und ihre braunen Augen standen schwer unter Wasser. Mit den Fingern versuchte sie, unsichtbare Splitter aus der Tischplatte zu ziehen. Sie beteuerte, erst eingetroffen zu sein, als bereits alles vorbei war. »Dann können Sie keine Angaben machen?«, fragte Oggerty, der seinem Chef beweisen wollte, dass auch er durchaus in der Lage war, ein Verhör zu führen.
»Nein, also, nun ja, ich habe den Toten gesehen. Ganz furchtbar.« Ihre Augenlider flackerten. »Da war ja kaum noch etwas zu erkennen...«
Wieder liefen ihr Tränen über das verhuschte Gesicht. Sie zog ein weißes Taschentuch aus ihrer Schürze und schnäuzte hinein.
»Was ist nur los mit den Menschen?«, sagte sie und schüttelte den Kopf.
»Und Sie haben den Panzer nicht gesehen?«
»Nein«, sagte sie.
»Ungemein aufschlussreich, Miss Allen. Und warum wundern Sie sich gar nicht, dass auf dem Gelände ein Panzer...?« Sie brach erneut in Tränen aus. Oggerty wollte mit einer entscheidenden Frage nachsetzen, doch DeCraven winkte ab.
»Also, ich... also Mr. Hampton hat es mir erzählt und...« DeCravens scharfe Stimme unterbrach sie.
»Und Sie sind erst gekommen, nachdem der Panzer wieder verschwunden war?«
Ihre Stimme bebte.
»Ja, Sir.« Wieder hemmungsloses Schluchzen.
DeCraven ermahnte sie, sich zur Verfügung zu halten.
Sie verließ die Bibliothek. Gebeugt und mit vorgestreckten Händen. So, als hätte der Chefinspektor ihr bereits Handschellen angelegt. DeCraven schob sich verärgert eine weitere Pfefferminzpastille in den Mund.
George Saldon, der dritte vermeintliche Zeuge, hatte nichts weiter beizusteuern. Er habe wie gewöhnlich im Stall gearbeitet und die Pferde versorgt. Er sei erst dazugestoßen, als der Hausmeister mit Susan Allen »ganz fassungslos«, wie er sagte, neben dem Leichnam gestanden hatte.
DeCraven meinte, ein Zucken in seinem Gesicht zu bemerken, als er den Namen von Susan Allen aussprach. Das war interessant. Er entließ den Stallmeister und bat auch ihn, sich für weitere Verhöre bereitzuhalten.
Saldon zuckte gleichgültig mit den Schultern und verließ die Bibliothek.
Es kam Oggerty so vor, als habe der Chefinspektor ganz bewusst etwas ausgelassen. Seine
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