Dinner for one, Murder for two
sein … oder zumindest werden wollen, und dass die Proben problemlos weitergeführt werden können. Wir haben in Herrn Kwiatkowski schließlich nicht unseren Hamlet verloren. Das gebe ich zu: Dann hätten wir ein Problem.«
»Sie wollen also wirklich weiterproben.«
»Selbstverständlich will ich das. Ich kann nicht für jeden Furz des Schicksals eine Ausnahme machen. Würde die Branche so arbeiten, käme nie ein Stück auf die Bühne und kein Film auf die Leinwand.«
Vor Wut über von Kestrings Kaltschnäuzigkeit bekam Pippa kaum noch Luft. Ihr war auch völlig egal, ob sie mit ihrem Protest ihre Kompetenzen überschritt.
»Das Ensemble ist nicht vollzählig. Ihr Guildenstern fehlt.«
»Dann beten wir eben den Rosencrantz allein – bis sie zurück ist«, sagte von Kestring achselzuckend.
»The Show must go on – unter allen Umständen?« Pippa hätte ihn am liebsten geschüttelt, so angeekelt war sie von ihm, und sie hoffte, dass er es ihrer Stimme anhörte.
»Es sind nur noch vierzig Tage bis zur Premiere. Beantwortet das Ihre Frage?« Er lächelte herablassend und wandte seine Aufmerksamkeit wieder Anita zu. »Noch einmal von vorn. Und jetzt bitte ohne Patzer.«
Anita Unterwegers Augen hatten sich mit Tränen gefüllt. Sie rang verzweifelt die Hände und brachte keinen Ton heraus.
Makaber, dachte Pippa, für ihre Rolle ist ihre Stimmung perfekt. Wäre das ein Krimi, würde ich von Kestring verdächtigen, Carlos umgebracht zu haben, um genau diesen Effekt zu erzielen.
»Frau Unterweger«, sagte von Kestring böse, »man muss auch dann Leistung bringen, wenn die eigene Mutter oder der Ehepartner gerade gestorben ist. Und dieser Mann gehörte nicht einmal zum Ensemble. Also tun Sie, wozu Sie engagiert wurden: Übertragen Sie alle Energie auf die Rolle. Wenn Sie also jetzt bitte weitermachen könnten, wäre ich Ihnen außerordentlich dankbar.«
Anita Unterweger stieß einen erstickten Schrei aus und floh schluchzend von der Bühne und aus dem Raum.
In der Bibliothek herrschte betroffenes Schweigen, bis Sir Michael sagte: »Sie sollten ihr ein wenig Zeit geben, von Kestring. Sie können heute Nachmittag mit ihr weiterproben, und bis dahin arbeiten wir an anderen Szenen.«
»Ich kann und will nicht jeder Blähung nachgeben«, gab von Kestring patzig zurück. »Schauspieler müssen funktionieren, wie die Regie es will.«
Sir Michael gab sich nicht geschlagen. »Aber die Regie ist doch auch da, um …«
Von Kestring unterbrach ihn sofort.
»Vorsicht. Spielen Sie sich hier nicht als Moralapostel auf«, zischte er leise, »ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass Kwiatkowskis Tod auch Sie nicht gerade unglücklich machen dürfte. Also ersparen Sie mir Ihre Heuchelei.«
Moment mal, dachte Pippa, will er damit andeuten, dass Kwiatkowski ihm kompromittierende Informationen über Sir Michael zugespielt hat? Freiwillig? Wer soll das denn glauben? Und wieso auch Sie ? Wen denn noch? War Carlos doch kein so guter Mann und hat uns alle an der Nase herumgeführt?
Pippa wurde kalt. Fürchtete sich jemand so sehr vor Kwiatkowskis Enthüllungen, dass er einen Schlussstrich gezogen hat? Durch Mord?
»Verdammt, Nicky, es hat geklingelt. Ich glaube, da ist er schon. Du weißt, was du zu tun hast. Beeil dich.«
Phoebe legte den Hörer auf und ging zur Tür, um zu öffnen.
Draußen stand ein junger Mann, lächelte sie an und sagte: »Nigel Hurst vom PaperRazzi . Pippa Bolle?«
»Die ist nicht da.« Phoebe verschränkte abwartend die Arme vor der Brust.
»Das ist aber ärgerlich. Wir sind verabredet. Ich möchte die Sachen von Carlos Kwiatkowski abholen.«
»Kann ich nicht ändern«, antwortete Phoebe achselzuckend. »Frau Bolle musste plötzlich weg, und ich gebe nichts heraus.«
»Das können Sie doch nicht machen«, rief Nigel Hurst ungläubig, »ich bin den weiten Weg von London gekommen! Bei diesem Wetter! Können Sie nicht vielleicht doch …?«
»Auf keinen Fall.« Phoebe schüttelte unnachgiebig den Kopf. »Ich kenne Sie doch gar nicht. Pippa muss die Verabredung vergessen haben, es war alles ein bisschen viel in den letzten Tagen.« Sie warf sich in Pose und deklamierte theatralisch: »Zwei Todesfälle innerhalb von vier Tagen! Da wird es doch wohl erlaubt sein, nicht an alles zu denken!«
Nigel Hurst runzelte die Stirn und musterte sie. Dann hellte sich sein Gesicht auf. »Moment mal – Sie kenne ich doch: Sie sind Phoebe Smith-Bates! Ich habe Sie bei den Olivier Awards gesehen, wann war
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