Dinner für eine Leiche
›Ach, wirklich, Schätzchen,
mein
Haus ist im Augenblick völlig überfüllt.‹ Wenn sie nüchtern ist, nennt sie einen immer Schätzchen. Und wenn sie besoffen ist, bekommt man eine Kanonade der schlimmsten Schimpfnamen ab.«
Sie stopfte die Hände in die Taschen. Die symbolische Geste entging Steve nicht.
Er grinste. »In deinem Beruf geht es wahrhaftig noch halsabschneiderischer zu als in meinem.«
Er schaute ihr nicht in die Augen. Es war besser, so zu tun, als wüsste er nichts. Er wollte ja das zarte Pflänzchen ihrer Beziehung nicht beschädigen.
Es war zwei Uhr morgens. Obwohl vor der Tür das Blaulicht der Polizeiautos blinkte, schlummerten die meisten Hotelgäste einfach weiter.
Ein knurriger Wachmann mit verdattertem Gesicht und zerknitterter Uniform hob einen hölzernen Schlagbaum.
Bernsteinfarbenes Licht schimmerte durch die Glastür des Hoteleingangs. Dort stand ein Polizist Wache. Ihre Aufmerksamkeit wurde auf ein Schild gelenkt, auf dem »Lieferanten eingang « stand. Darunter sprang eine aufgeregte Gestalt wie ein plumper Kobold auf und ab.
»Hier! Hier entlang!«, flüsterte Stella Broadbent laut und vernehmlich. Sie ruderte mit den Armen. Goldene Ketten blitzten um ihren Hals auf. Diamanten so groß wie mittlere Ziegelsteine glitzerten an ihren Fingern. Ihr Gesicht war rosig. Sie roch nach französischem Parfüm und starkem Wein.
»Brilli Broadbent? Ich bin Detective Sergeant …«
Stella Broadbents Augen durchbohrten ihn. Mit diesem Blick |35| hätte sie nackte Füße auf den Fußboden nageln können. »Falsch, Sergeant! Mein Name ist Stella Broadbent.«
Steve entschuldigte sich. »Na, da haben wir ja einiges zu berichtigen«, meinte er mit schiefem Lächeln. »Ich hätte sagen sollen Detective Inspector Steve Doherty. Bin erst kürzlich befördert worden.«
»Gratuliere.« Ihr Gesicht mit den zusammengekniffenen Augen und den schmollend geschürzten Lippen erinnerte ihn irgendwie an das Hinterteil einer Kuh.
»Folgen Sie mir. Ihre Leute sind schon hier und veranstalten eine Heidensauerei. Das ist außerordentlich unpassend und verdammt lästig. Hicks.« Damit wandte sie sich um und stolzierte davon.
Steve deutete mit der Hand eine Trinkbewegung an und blickte fragend zu Honey.
»Darauf kannst du wetten«, murmelte sie. Wenn man dem allgegenwärtigen Klatsch glaubte, hatte Brilli Broadbent Probleme mit Beziehungen, mit dem Alkohol, wenn auch nicht mit dem Geld.
Inzwischen hatte sich die Hotelbesitzerin zu ihnen umgewandt. »Hier entlang bitte«, wiederholte sie und dirigierte die beiden am Gebäude entlang. »Es tut mir leid, dass wir diesen Eingang benutzen müssen, aber ich kann es einfach nicht zulassen, dass Sie meine Gäste stören. Das ist schlecht fürs Geschäft.« Sie nickte kurz in Honeys Richtung. »Gut, dass der Hotelfachverband am Ball ist.«
Honey lächelte schwach zurück. »Ich glaube, wir wissen alle, wie wichtig das ist.«
»Wichtiger als ein Disput darüber, welche Hühnerbrüste wem gehören«, erwiderte Stella mit einer hochmütigen Kopfbewegung. Sie wandte sich wieder an Steve. »Mein Chefkoch wurde heute von dem gottverdammten Koch dieser Dame bedroht. Was für ein jähzorniges Schwein der ist! Sie sollten ihn auf der Stelle verhaften. Der war’s nämlich.«
|36| Honey erwiderte Steves fragenden Blick nicht. Das musste sie ihm lassen: Er ging wirklich souverän mit der Situation um.
»Wir werden alle Möglichkeiten in Betracht ziehen und jeden befragen, der den Mann je bedroht hat.«
»Na, da bin ich aber verflixt froh«, erwiderte Stella und hickste erneut. Sie warf Honey einen säuerlichen Blick zu, ehe sie in Richtung Küche weiterwankte.
»Ich dachte, du hättest gesagt, dass sie Brilli heißt«, flüsterte Steve, als sie der Hotelbesitzerin an einer Batterie von grünen Mülltonnen auf Rollen und einem großen Altglascontainer vorbei folgten.
»Brillis trägt sie«, wisperte Honey zurück. »Hast du sie nicht blitzen sehen?«
»Ach so!«
Es war zwar eine unchristliche Zeit, aber trotzdem schaute Honey das Adressbuch ihres Handys durch. Casper wusste noch nichts von dieser Entwicklung. Wenn ein Tourist umgebracht wurde, konnte sich das wirklich aufs Geschäft auswirken. Aber der Mord an einem Chefkoch – wie unausstehlich er auch gewesen sein mochte – würde wohl nicht zu einem gefährlichen Minus in den Gewinnen führen – oder doch? Es ging ohnehin niemand ans Telefon.
Das Absperrband um den Tatort flatterte wie lustige Wimpel auf einem
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