Dinner für eine Leiche
möglicherweise das Falsche raus«, sagte Doris, ihre sehr pummelige Aushilfe und Frühstücksköchin. »Ich hab ja wahrhaftig genug zum Wegschnippeln, aber ich würde nur ungern was davon durch einen Kunstfehler verlieren.«
Es ging Honey kurz durch den Kopf, dass es vielleicht doch |165| nicht schlecht wäre, wenn Doris ein bisschen was weggeschnippelt würde. Natürlich sagte sie das nicht laut.
Um ein Uhr morgens wirtschaftete Honey schließlich ganz allein herum. Sie musste noch die Tische für das Frühstück eindecken. Es war still im Hotel, nur das Gebäude ächzte leise, als langsam die Hitze des Tages aus den Mauern schwand.
Honey war vollkommen in Gedanken versunken, als gegen zwei Uhr jemand an die Tür der Bar hämmerte.
»Wir haben geschlossen«, rief sie, nachdem sie sich vom Schreck erholt hatte.
Wer immer es war, es hämmerte unverdrossen weiter.
Honey war nicht in menschenfreundlicher Laune, schaltete ihre »Ich-mach-dich-fertig«-Stimme ein.
»Machen Sie, dass Sie wegkommen. Sie wecken noch meine Gäste auf, und dann bin ich wirklich sauer. Hören Sie auf, sonst hole ich die Polizei, das verspreche ich Ihnen.«
Kein weiteres Hämmern.
Endlich war sie auch mit dem Mopp und dem Eimer fertig. Es ging schon auf drei Uhr zu, als Honey schließlich in ihrer Wohnung ihre Kleider in einem unordentlichen Haufen auf den Boden fallen ließ und ungewaschen und mit vor Müdigkeit schmerzenden Gliedern ins Bett plumpste.
Eine Kirchturmuhr schlug drei. Als hätte sie diese Erinnerung nötig! Aus dem tiefsten Tiefschlaf aufgeschreckt, zwinkerte sie und riss die Augen auf, als der letzte Glockenschlag verklang. Sie runzelte die Stirn. Warum war sie so plötzlich aufgewacht? Sie war an die Kirchturmuhr gewöhnt. Die störte sie doch sonst nicht. Rasch begriff sie, dass sie etwas anderes gehört hatte. Ein leises klopf, klopf, klopf an der Tür.
Jetzt war sie eher neugierig als ängstlich. Sie stützte sich auf einen Ellbogen. »Lindsey?«
Lindsey wollte eigentlich bei einer Freundin in Bradford-on-Avon übernachten, aber vielleicht hatte sie es sich anders überlegt und war nach Hause gekommen.
|166| Honeys müdes Hirn warf in Gedanken eine Münze. Kopf – es war Lindsey. Zahl – es war nicht Lindsey. Allerdings hätte die wohl etwas gesagt.
Honey streckte die Hand nach ihrem seidenen Morgenmantel aus und schaute an sich herunter. Nackt. Da waren Seidenmorgenmäntel keine sonderlich gute Bekleidung. Sie schlüpfte in ein paar ausgeleierte Leggings und einen gemütlichen Pullover – groß und schlabberig, verbarg er einiges.
Jetzt sah sie aus wie ein Ei auf Beinen. Sie schlich in den Flur hinaus und schnappte sich unterwegs etwas, das sie für einen Spazierstock hielt.
»Wer ist da?« Ihre Stimme war kaum mehr als ein lautes Flüstern. »Das hier ist meine Privatwohnung. Der Eingang zum Hotel ist vorn«, wisperte sie, weil sie gerade beschlossen hatte, es müsste wohl ein verirrter Hotelgast sein, was ja nicht ganz von der Hand zu weisen war. Vielleicht war einer der Chirurgen vom rechten Weg abgekommen?
Das ist meine Privatwohnung!
My home is my castle!
Das Zuhause jedes Engländers, beziehungsweise jeder Engländerin, war eben immer noch ihre Burg. Sie hatte durchaus das Recht, dieses Zuhause zu schützen. Dabei war es allerdings hilfreich, größer zu sein als der Gegner.
»Ich bin bewaffnet«, drohte sie mit ein wenig zittriger Stimme. Sie hob den Spazierstock in die Höhe, der seinerseits zum Angriff überging. Im Nu hatten sich Honeys Haare in den feinen Metallspeichen verheddert. Sie hatte aus Versehen einen Stockschirm gegriffen, der sich auf Knopfdruck automatisch geöffnet hatte!
Der Länge des Schattens nach zu urteilen, der durch die Glasscheibe der Haustür fiel, war die Gestalt groß! Richtig groß! Eigentlich nur Höhe, keine Breite – ein bisschen wie eine Telegrafenstange.
»Hallo? Mrs. Driver? Ich spreche leise, weil ich Ihre Gäste nicht aufwecken möchte. Ich bin es, Francis Trent. Ich habe gehört, dass Sie mit mir reden wollen.«
|167| Er war hier? Um drei Uhr morgens? Was für eine Entschuldigung konnte er dafür wohl vorbringen? Sie fragte nach.
»Mein Flug ist gerade erst um acht Uhr heute Abend in Gatwick angekommen. Es hat alles länger als sonst gedauert, weil mein Gepäck verloren gegangen war.«
Nicht schlecht.
Nachdem Honey sich aus den Speichen des Regenschirms befreit hatte, machte sie die Tür auf. Die Haare standen ihr in einem verwirrten Knäuel vom
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