Dinner mit Rose
plumpsen. Sie nahm eine Gabel vom Tisch neben sich und kratzte ihm den Bauch.
»Benutzt du diese Gabel ausschließlich dazu, das Schwein zu kraulen?«, erkundigte ich mich neugierig.
»Ja. Du brauchst mich nicht darauf hinzuweisen, dass ich ebenfalls verrückt bin, sondern solltest lieber erwägen, selbst zur Exzentrikerin zu werden, Josephine. Das macht das Leben so viel interessanter.«
»Ich denke darüber nach«, versprach ich, dann trank ich einen weiteren Schluck Gin und genoss es, wie er mir auf der Zunge brannte, bevor er meine Kehle hinunterrann.
Nach einigen weiteren Drinks schlug ich vor, unser Abendessen zuzubereiten.
»Unser Dinner bitte, Josephine«, korrigierte mich Rose, während wir uns – leicht schwankend – in die Küche begaben. (Meine Eltern haben mir die Frage, warum sie ausgerechnet ›Josephine‹ einen passenden Namen für mich fanden, nie zufriedenstellend beantwortet. Ich finde, er klingt nach einer Gouvernante aus dem 19. Jahrhundert. Niemand sonst darf ihn benutzen, nur aus Roses Mund höre ich ihn ganz gerne.) »Es heißt nicht Abendessen, sondern Dinner.«
»Ich bin und bleibe ein unkultiviertes Mädchen aus den Kolonien, Rose, damit musst du dich abfinden«, gab ich zurück.
»Du bist genauso schlimm wie Matthew.« Sie nahm eine schon etwas schlaffe Karotte aus dem Vorratsschrank und zeigte damit auf mich, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. »Jahrelang habe ich an ihm herumgenörgelt, und trotzdem sagt er immer noch ›Nju-Sillend‹ und ›Mülk‹.« Matt war Roses leiblicher Neffe – der Sohn ihrer jüngeren Schwester –, wohingegen ich nur eine Nennnichte war. Rose war in den Siebzigern als frisch gelernte Krankenschwester im Rahmen eines Regierungsprogramms zur Anwerbung von Angestellten für die Provinzkrankenhäuser aus England nach Neuseeland gekommen. Sie beschloss sofort (und nach Meinung einiger Leute unerklärlicherweise), dass Waimanu der ideale Ort war, um sich dort niederzulassen, und blieb. Ihre Schwester kam ein paar Jahre später zu Besuch, heiratete nach dreiwöchiger stürmischer Werbung einen einheimischen Milchfarmer und klagte dann in den folgenden fünfundzwanzig Jahren ständig über seinen Mangel an Bildung und Kultiviertheit.
Ich grinste. »Wie geht es Matt?«
»Gut. Er arbeitet entschieden zu viel, ist offenbar aber ganz glücklich damit. Wobei mir einfällt, dass er gleich zum Dinner kommt.«
»Wunderbar.« Aber auch ein bisschen beängstigend. »Willst du diese Karotte nun kochen oder nur damit herumfuchteln?«
»Hör auf, mich abzulenken, und verschwinde«, knurrte Rose. »Warum packst du nicht deine Sachen aus und machst dich frisch?«
Als ich eine halbe Stunde später in die Küche zurückkam, rieb Rose mit einem solchen Elan Käse, dass ich um die Unversehrtheit ihrer Finger fürchtete.
»Ah«, sagte sie. »Da bist du ja. Wie wäre es, wenn du uns ein Glas von dem edlen Tropfen eingießt, den du mitgebracht hast?«
»Wenn ich die ganze Woche so weitermache, bekomme ich eine Leberzirrhose«, orakelte ich.
»Unsinn«, widersprach sie. »Die Leber muss beansprucht werden, sonst verkümmert sie – wie alle Muskeln.«
»Ich bin mir fast sicher, dass die Leber kein Muskel ist.«
Sie winkte unbeeindruckt ab. »Das Prinzip ist dasselbe, Josephine. Ich höre ein Auto – das muss Matthew sein. Geh doch nach draußen und sag ihm hallo.«
Das hielt ich für eine gute Idee. Außerdem wollte ich lieber keine weiteren Drinks ausschenken, bevor das Abendessen (oder vielmehr das Dinner) nicht auf dem Tisch stand. Rose war schon immer eine etwas gewöhnungsbedürftige Köchin gewesen, und wenn sie einen Schluck zu viel intus hatte, war ihr zuzutrauen, dass sie befand, Dörrpflaumen wären eine ideale Zutat für ein Risotto. Ich trat gerade rechtzeitig aus der Küche, um Matt aus einem verbeulten roten Kleintransporter klettern zu sehen. Mit dem Geschick langjähriger Übung wehrte er die Hunde ab und stapfte über den Kiesplatz zum Haus. Das Ferkel warf sich vor ihm auf den Rücken, und er blieb stehen, um ihm mit dem Fuß den Bauch zu rubbeln.
»Hey, Matt«, begrüßte ich ihn. Äußerlich hatte er sich kaum verändert – er war immer noch hochgewachsen, schlank, braunhaarig und wirkte ein wenig ungepflegt –, aber nach vier Jahren Farmarbeit machte er einen zäheren und härteren Eindruck als früher. Das letzte Mal hatte ich ihn bei der Beerdigung seines Vaters gesehen: vor Trauer und Jetlag ganz benommen und blass vom britischen
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