Dinnerparty
gut genug gekannt, um darüber irgendwas sagen zu können.«
Sophie schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte.
»Mann, Ricky. Ich bin doch nicht von der Polizei. Jetzt mal Butter bei die Fische! Wie war sie drauf? Hat sie sich gefreut? War sie aufgeregt? War sie plötzlich anders?«
Ricky trank einen Schluck Kaffee und stellte die Tasse langsam zurück. »Ich würde diesen Abend am liebsten aus meinem Gedächtnis streichen, um ehrlich zu sein. Ich habe vorher noch nie eine Leiche gesehen. Das Ganze macht mich richtig fertig. Ich hatte mir so viel Mühe gegeben mit ihrem Make-up. Und dann lag sie da zwischen den Riesengarnelen und Spargelstangen …«
»Verdammt, Ricky!« Sophie nahm seine Hand und sah ihm tief in die Augen.
Ricky atmete durch und schluckte. »Sie hatte eine Scheißangst, um ehrlich zu sein. Sie hat ständig versucht, von mir zu erfahren, wer die Gäste sind. Sie hat Vermutungen angestellt. Sie hat gehofft, dass Victor Rubens einer der Gäste ist.«
Sophie hob fragend die Augenbrauen. »Wieso?«
»Weil das die Einschaltquoten in die Höhe treibt. Rubens in einer Koch-Show? Das will doch jeder sehen. Und Laura war besessen von ihrem Deutschland-Comeback. Auf der anderen Seite wurde sie nicht müde, mich mit ihrem Hollywoodquatsch vollzulabern. Mit wem sie dort schon gearbeitet und in welchen Serien sie mitgespielt hat. Du weißt schon. Zwischendurch ist sie ein paarmal auf der Toilette gewesen. Ich bin mir sicher, dass sie gekokst hat.«
»Warum?«
»Ach, Sophie. Warum wohl? Sie hat sich ständig die Nase gerieben und mit den Backenzähnen geknirscht. Eine Zeit lang war sie so hibbelig, dass es fast unmöglich wurde, sie zu schminken.«
Sophie hatte ein ganz anderes Bild vor Augen.
»Aber sie war doch ganz ruhig, als ich sie bei dir in der Maske gesehen habe, kurz bevor sie zusammenbrach. Sie wirkte eher müde und sie fühlte sich schwach.«
»Ja, irgendwann konnte sie wohl nicht mehr«, gab Ricky zu. »Ich könnte mir vorstellen, dass sie ’ne Valium geschmissen hat. Weißt du, ich bin echt kein Kind von Traurigkeit und an einem langen Partywochenende nehme ich auch nicht wenig. Wie soll man das sonst auch durchhalten? Ein bisschen Koks, Alkohol, Ecstasy. Irgendwann muss man sich dann wieder runterbringen, um schlafen zu können. Ein Joint im Morgengrauen oder eben auch ’ne Valium.« Er griff sich eine Scheibe Brot aus dem Korb und zupfte sie auseinander, während er weitersprach. »Bei Laura hatte ich aber das Gefühl, dass sie restlos vollgepumpt war. Vielleicht hat sie irgendwie den Überblick verloren.«
»Wie meinst du das?«
Ricky sah sie traurig an und zuckte mit den Schultern.
»Ich glaube, der Schampus war gegen die Nervosität. Als sie dann zu besoffen war, hat sie sich mit Koks wieder klarkriegen wollen. Irgendwann war sie dann wahrscheinlich kurz davor, durch die Decke zu fliegen. Also hat sie sich mit Valium wieder runtergefahren. Nur leider gleich auf null.«
14
Sascha Richter wachte am späten Vormittag auf. Es ging ihm dreckig. So dreckig wie schon lange nicht mehr. Er hatte viel zu viel getrunken. Die zweite Nacht in Folge. In seinen schlimmsten Zeiten hatte er jede Nacht durchgesoffen. Sein Kopf dröhnte und sein Magen drehte sich, als er sich aufsetzte. So konnte er auf keinen Fall weitermachen. Die erste Nacht hatte er damit entschuldigt, dass sie einem ganz besonderen Abend folgte. Laura war tot. Wie oft hatte er sich ihren Tod gewünscht? Sich vorgestellt, wie sie irgendwie langsam verreckte? Seinen gestrigen Absturz entschuldigte er damit, dass er in Feierlaune gewesen war. Laura war tatsächlich tot. Die Gerechtigkeit hatte am Ende gesiegt. Schließlich hatte Laura ihn damals getötet. Den alten Sascha Richter. Der Film ›Die mexikanische Nanny‹ sollte sein großer Durchbruch werden. Nach all den unbedeutenden Rollen als seichter Schönling in irgendwelchen Seifenopern sollte diese Produktion ihn als ernsthaften Schauspieler etablieren. In der Rolle als gebrochener Familienvater, der durch das Kindermädchen neuen Lebensmut fasst und sich am Ende sogar in sie verliebt, hätte er all seine Facetten zeigen können. Er hatte sich schon ausgemalt, wie er in den Kreis der Topschauspieler aufgenommen würde. Wie die Drehbücher nur so ins Haus geflattert kämen und er nur die Rosinen aus dem Kuchen picken musste. Filmverleihungen. Filmpreise. Er hätte groß rauskommen können. Auf den roten Teppichen hätten die Fans seinen Namen gebrüllt und nicht
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