Dinotod: Tannenbergs vierter Fall
merkwürdiger Geruch?“, fragte Sabrina plötzlich in die andächtige Stille hinein.
„Was für’n Geruch?“ Tannenberg betätigte den Fensteröffner, schob seinen Kopf in den eiskalten Fahrtwind und schnüffelte ausgiebig. „Das riecht eindeutig nach Lagerfeuer – oder, wie heißt das? Forstfeuer? Also eben das Feuer, mit dem die Waldarbeiter Äste und ... und Rinden verbrennen.“
„So“, entgegnete Sabrina einsilbig. Sie erweckte dabei nicht unbedingt den Eindruck, als ob die spekulative Antwort ihres Vorgesetzten sie gänzlich zufriedengestellt hätte.
„Komm, halt mal da vorne an der Metzgerei. Ich frag mal, wo hier der Kindergarten ist.“
Tannenberg war kaum mehr als fünf Schritte in Richtung des großflächig verglasten Eingangsbereichs losgestapft, als er wie vom Blitz getroffen stehen blieb und sich zu seiner Kollegin umwandte. „Sabrina, da gibt’s warmen Fleischkäse.“
„Was?“, schrie sie laut zurück. Dann ergänzte sie, während die leicht getönte Seitenscheibe nach unten wegsackte: „Was ist? Ich hab dich nicht verstanden.“
„Möchtest du auch ein frisches Brötchen mit warmem Fleischkäse?“
Sabrina verzog angewidert das Gesicht. „Um diese Uhrzeit? Nein danke.“ Kopfschüttelnd drückte sie auf die Taste des elektrischen Fensterhebers und schaltete mit der anderen Hand das Autoradio ein.
Nach einer Weile kam Tannenberg strahlend zurück – weniger wegen der ihm freundlich erteilten Auskunft hinsichtlich des Kindergartens, als vielmehr angesichts der dicken, dampfenden Wurstscheibe, die auf allen Seiten weit über das knusprige Brötchen hinausragte. Wie ein ausgehungerter Wolf schlug er seine Zähne in sein zweites Frühstückmahl und schmatzte unbefangen drauf los.
„Wolf, es freut mich ja sehr, dass es dir so gut schmeckt. Aber geht das nicht ein wenig leiser?“
„Warum? Wenn’s schmeckt, schmeckt’s halt!“, antwortete er kauend. „Ist ja auch gleich vorbei.“
Der Leiter des K 1 hatte es doch tatsächlich geschafft, das Brötchen fast restlos zu vertilgen, noch bevor Sabrina das einzige Flachdach-Gebäude im Ort erreichte. Den letzten Bissen verschlang er beim Verlassen des Autos.
Als die beiden Kriminalbeamten vor der haselnussbraunen Holztür des ›Waldwichtel‹-Kindergartens geduldig auf Einlass warteten, musste sich Tannenberg eingestehen, dass er völlig vergessen hatte, sich eine angemessene Strategie für die Befragung der Kleinkinder zurechtzulegen.
Kann ich das überhaupt verantworten? Vielleicht darf ich die Kinder gar nicht an diesen schrecklichen Vorfall erinnern. Womöglich würde ich dadurch ein Trauma bei ihnen auslösen! Eigentlich bräuchte ich dringend eine Kinderpsychologin!, wurde er von plötzlich aufkeimenden Zweifeln gemartert. Aber kaum einen Wimpernschlag später versetzte er diesen bereits wieder einen Dämpfer: Was soll’s! Jetzt ist es sowieso zu spät! – Ich frag einfach zuerst die Erzieherinnen.
Nachdem Tannenberg sich und seine Begleiterin vorgestellt und für den unangemeldeten Besuch entschuldigt hatte, wurden die beiden Ermittler von Frau Walter in einen Büroraum gebeten. Zunächst erkundigte sich Tannenberg darüber, ob den Erzieherinnen irgendetwas Besonderes an diesem Morgen auf dem Gartenschaugelände aufgefallen sei. Die Kindergartenleiterin verneinte die Frage und gab darüber hinaus an, dass sie auch im Namen ihrer Kollegin sprechen könne, die ebenfalls nichts Außergewöhnliches bemerkt habe.
Zudem äußerte Frau Walter keinerlei Bedenken hinsichtlich einer behutsamen Befragung der Kleinen; denn erstens seien die Mölschbacher Kinder psychisch sehr robuste Wesen und zweitens habe man in den letzten Tagen sehr häufig und offen über diesen Vorfall gesprochen, ja ihn sogar zur kindgemäßen Beschäftigung mit dem Thema ›Tod‹ genutzt. Anschließend geleitete sie die Besucher in den Aufenthaltsraum der sogenannten ›Löwengruppe‹.
„Guten Morgen. Wir sind von der Polizei und würden euch gerne ein paar Fragen stellen“, begrüßte Tannenberg die anwesenden Kinder mitsamt einer jüngeren Erzieherin, die bis eben aus einem Bilderbuch vorgelesen hatte. „Wer von euch kleinen Löwen hat denn die Frau auf dem Dinosaurier zuerst entdeckt?“
„Ich“, antwortete Johannes mit stolzgeschwellter Brust, verließ die Bauecke und trottete hinüber zu den beiden Kriminalbeamten, die inzwischen an einem größeren Tisch in der Mitte des österlich dekorierten Raums Platz genommen hatten.
„Hast du
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