Dinotod: Tannenbergs vierter Fall
dass ihr mit dem Paketband die Luft abgestellt worden ist!“
„Mensch, Wolf, alter Mann, leidest du jetzt auch noch an Gedächtnisschwäche?“, verpasste ihm Dr. Schönthaler eine Breitseite. „Die Todesursache ist doch als definitiv geklärt zu betrachten. Das hab ich dir übrigens gestern schon gesagt. Aber ich tu’s hiermit gerne nochmal: Die Frau wurde er-würgt.“
Tannenbergs Brummen ähnelte dem eines aggressiven Raubtiers.
Nachdem der altgediente Rechtsmediziner das letzte Wort in seine beiden Silben zerlegt und es betont langsam zum Besten gegeben hatte, fuhr er fort: „Außerdem hätte sie ja wohl auch weiterhin durch die Nase atmen können, nachdem man ihr den Mund zugeklebt hatte. Nein, das kannst du getrost abhaken: Das Klebeband wurde post mortem angebracht.“
3
Tannenberg war schon tags zuvor klar gewesen, dass er heute Morgen nicht die geringste Lust auf ein gemeinsames Frühstück mit seinen direkt unter ihm wohnenden Eltern verspüren würde. Schließlich wusste er aus ähnlichen Situationen in der Vergangenheit nur allzu gut, mit welch aufdringlicher Neugierde die beiden Alten besonders die Anfangsphase solch spektakulärer Mordfälle begleiteten.
Um ihnen eine glaubhafte Ausrede präsentieren zu können, hatte er seine Mitarbeiterin Sabrina Schauß gebeten, ihn bereits um 8 Uhr zu Hause abzuholen. Als seine Mutter vor ein paar Minuten an seiner Tür erschien, konnte er somit zwingende dienstliche Gründe anführen, die es ihm leider unmöglich machten, an diesem allmorgendlichen Ritual teilzunehmen.
Zwar waren seine männlichen Kollegen angesichts der neuerlichen Bevorzugung Sabrinas nicht gerade begeistert gewesen und hatten sogar versucht, dezenten Protest dagegen einzulegen. Jedoch ohne die geringste Erfolgsaussicht – zu überzeugend war seine Argumentation, dass er aufgrund der Bearbeitung des Mordes an einer Frauenbeauftragten zwingend auf weiblichen Rat und Unterstützung angewiesen sei. Das war aber beileibe nicht der einzige Grund, weshalb die junge Kommissarin ihn bei seiner Exkursion in den südlichsten der Kaiserslauterer Vororte begleiten sollte.
Nachdem er sich eine Handvoll, leicht nach Pappkarton schmeckender, trockener Cornflakes einverleibt hatte, stand er oben an seinem Wohnzimmerfenster, schaute mit müdem Blick auf die Beethovenstraße hinunter und wartete geduldig auf das Erscheinen des silbernen Dienst-Mercedes.
Und weil sich sein ruheloses Hirn, auch wenn er noch so schlapp und übellaunig war, stets mit irgendetwas beschäftigen musste, kreisten seine Gedanken um die neuen Ermittlungsergebnisse, die seine Mitarbeiter im Laufe des gestrigen Nachmittags zusammengetragen hatten.
Sabrinas Rechercheauftrag hatte sich auf die detaillierte Klärung der Familienverhältnisse der Toten bezogen. Die Inanspruchnahme diverser Datenbanken förderte als Ergebnis zutage, dass die Ermordete bereits zweimal verheiratet gewesen war. Zuerst mit einem gewissen Alfons Bender, dessen Familiennamen sie nach seinem Unfalltod beibehalten und ihn mit dem Namen ihres zweiten Ehegatten, von dem sie wiederum vor acht Jahren rechtskräftig geschieden worden war, mit einem Bindestrich verbunden hatte.
Mit ihrem aktuellen Lebensabschnittsbegleiter war sie zwar nicht verheiratet, jedoch wurden beide Personen unter der selben Anschrift im Register des Einwohnermeldeamtes geführt. Aus keiner ihrer beiden Ehen war Nachwuchs hervorgegangen. Ebenso lagen keinerlei Erkenntnisse über mögliche uneheliche Kinder vor. Gustav Wackernagel seinerseits war zeit Lebens unverheiratet geblieben und ebenfalls kinderlos. Beide Personen waren bislang weder straf- noch zivilrechtlich in irgendeiner Form in Erscheinung getreten.
Dann hatte Kriminalhauptmeister Geiger Rapport erstattet. Allerdings war sein Informationsgang zu der auf dem Kaisersberg gelegenen Laubenkolonie nicht von Erfolg gekrönt gewesen, hatte er doch niemanden angetroffen, der die maßgebliche Nacht in der Anlage verbracht hatte. Alle Befragten, von denen er Informationen erbeten hatte, waren nach eigenem Bekunden an besagtem Abend bereits vor Einbruch der Dunkelheit nach Hause gegangen. Im übrigen hatten sie angegeben, dass höchstens im Hochsommer ab und an jemand in den doch recht kleinen Gartenhäuschen nächtigen würde.
Ähnlich erfolglos waren die Ermittlungsbemühungen der beiden Kommissare Schauß und Fouquet geblieben. Sie hatten auf mehreren Wegen versucht, Kontakt mit Gustav Wackernagel aufzunehmen, ihn aber weder
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