Diplomat Im Abseits
zurück. Bestimmt, die hört auf mich.«
»Na, aber doch wohl nicht immer. – Woll’n Se denn den ganzen Kiez abklappern? Dann viel Vergnügen!«
Paulette versuchte, ihre Stimme beiläufig klingen zu lassen. »Uschi hat mal einen Bongo erwähnt, Bongo vom Babylon. Haben Sie den Namen schon gehört?«
Der Fahrer gab seiner Mütze einen Stubs. »Hab’ ick – da lassen Se mal schön die Finger von. Der is ‘ne Nummer zu groß für kleine Leute. Und rein kommen da sowieso nur Männer mit ‘ner dicken Patte. Wenn Ihre Kleene da ist – dann mal Prost!«
»Nun sagen Sie mir schon, wo ich Bongo finden kann.«
»Danziger Straße, nicht weit von der Katholischen Kirche. Ziemlich einfaches Haus; hat so eine kleine Klappe in der Tür.«
Das Taxi hielt. »So da wären wir. Am besten jehn Se die paar Schritte zu Fuß. Und mit dem Preis – det machen wa janz normal.«
»Vielen Dank«, sagte Paulette und bezahlte. »Sie haben mir sehr geholfen.«
Der Fahrer schaltete das Taxameter zurück. »Wenn Sie det Gör erwischen, schicken Se ihr ins Allgäu oder noch weiter weg. Der Kiez verdirbt die kleinen Mädchen.«
Von der St. Georgs-Kirche bis zur Danziger Straße waren es nur ein paar Minuten. Paulette hatte Bongos Etablissement schnell gefunden. Anders als der Schuppen Nr. 1 an der Silbersackstraße mit seinen einladend geöffneten Türen und der dröhnenden Musik schien der Service dieses Hauses eher im Verborgenen stattzufinden. Um das Kommen und Gehen zu beobachten, pendelte Paulette auf der gegenüberliegenden Straßenseite zwischen der Langen Reihe und Rostocker Straße hin und her. Im Verlaufe der nächsten Stunde drehten einzelne Herren in ihren Nobelschlitten immer wieder ihre Runden, um Parkplätze zu finden, ohne einen Strafzettel zu riskieren. Manchem wäre es sicher peinlich gewesen, mit der Zustellungsurkunde an das Verweilen in St. Georg erinnert zu werden.
Paulette hatte schon bald erfaßt, daß nur ein komplizierter Klingelcode die kleine Klappe in der Tür öffnete. Der Strahler über dem Rahmen leuchtete immer nur kurz auf und ließ die Gesichter der Einlaßsuchenden aus dem Dämmerlicht hervortreten. Wenn das Licht erlosch, öffnete sich die Tür, und der Gast verschwand schnell im Inneren.
Um überhaupt eine Chance zu haben, daß ihr die kleine Klappe geöffnet wurde, mußte Paulette das Klingelzeichen ergründen. Sie versuchte es mit ganz einfachen Mitteln. Energisch zog sie den Rock so hoch wie möglich und zeigte bis oben hin Bein. Mit der Jacke über dem Arm ließ sie den Busen in der bis über den Bauchnabel geöffneten Bluse schwingen. Sie stellte sich dicht an die Mauer neben der Tür, so daß sie vom Haus aus nicht gesehen werden konnte. Von den Männern, die ins Babylon wollten, würde sie wohl nicht angesprochen werden, und für die anderen war sie ein Mädchen vom Strich, wie viele andere hier. Nachdem sie die Klingelzeichen von drei Besuchern verfolgt hatte, war sie sicher, daß dreimal kurz, dreimal lang, dreimal kurz die Klappe öffnete. Einlaß würde sie nicht finden; sie wollte das Haus ja auch nicht betreten, aber sie rechnete damit, durch einen Trick eine Reaktion auszulösen, um etwas über Subin zu erfahren. Wenn Gefahr drohte, konnte sie über die Greifswalder Straße mit ihren Querverbindungen zur Langen Reihe schnell verschwinden.
Kurz vor Mitternacht faßte sie sich ein Herz und drückte den Klingelknopf, ohne zu wissen, daß das Zeichen SOS bedeutete. Sie war mit dem Gesicht so nahe an die Klappe getreten, daß der Kegel des Strahlers nur das Nackenhaar streifte.
Die Klappe wurde von innen geöffnet. Bevor von dort eine Frage gestellt werden konnte, sagte Paulette sehr deutlich: »Subin Tairong!«
Nach einer kurzen Pause kam die Rückfrage: »Wie bitte?«
»Subin Tairong«, wiederholte sie.
»Wer sind Sie?« und lauter. »Wissen Sie, wo das Mädchen steckt? Dann sollten Sie es ganz schnell sagen!«
»Ja!« antwortete Paulette instinktiv.
»Die Kleine soll sofort zurückkommen. Hier liegt noch ihr Paß; ohne den ist sie ein Nichts.«
Paulette merkte, daß die Tür langsam nach innen aufgezogen wurde. Mit einem raschen Sprung war sie auf der Straße und lief wie von Furien gehetzt mit mehrfachem Hakenschlag zwischen parkenden Autos hindurch erst über die Greifswalder Straße, dann die Lange Reihe hinunter.
Nun kannte sie zwar Subins letzten Aufenthaltsort, aber sie wußte auch, daß der Schmetterling ausgeflogen war.
Am Hauptbahnhof nahm Paulette ein Taxi zur
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