Diplomat Im Abseits
»Nun, wie läuft das Geschäft? Ist das Haus voll belegt?«
»Könnte besser sein«, jammerte Bongo und dachte an die Steuern, die er regelmäßig nach den offiziell gebuchten Zimmern zahlte. »Ich glaube, wir müssen mit den Preisen runter, die Konkurrenz ist zu groß. – Aber womit kann ich Ihnen dienen?«
Oberkommissar Friese wußte, daß Bongo wußte, warum er hergekommen war, und sagte: »Wir hatten einen anonymen Anruf, daß sich hier eine Thailänderin eingemietet hat, die plötzlich verschwunden sein soll – und das sogar ohne Mitnahme ihres Ausweises.«
Bongo kannte die Spielregeln: Nur keinen unnötigen Ärger mit der Polizei, schon gar nicht, wegen einer verschwundenen Nutte. »Tja, da war neulich nachts ‘ne Frau an der Tür und hat nach einer Subin Tairong gefragt. Ich habe der Frau gesagt, daß die Tairong abgehauen ist. – Seltsam, sie hat ihre Miete im voraus bezahlt und verschwindet mit Sack und Pack, ohne ihren Ausweis mitzunehmen.«
»War sie hier ordnungsgemäß erfaßt?«
»Aber ja, bei mir gibt’s keine krummen Touren. Diese Thaifrau kam eines Tages unangemeldet hier an und hat nach einem Zimmer gefragt. Sie wollte sich nach ‘ner Studiermöglichkeit umsehen; sie hat einen soliden Eindruck gemacht und auch gleich die Miete für einen ganzen Monat hingeblättert. Ihren Paß hat sie mir zur Verwahrung gegeben. – Das Visum war in Ordnung und die Aufenthaltsgenehmigung auch; ich habe mich sofort überzeugt und hatte keinen Grund, sie abzuweisen. – Den Paß können Sie gern mitnehmen. Wenn sie wieder aufkreuzt, schicke ich sie ins Präsidium.« Bongo ging zum Schreibtisch, holte den Paß aus dem Tresorfach und gab ihn Friese. »Quittung bitte.«
Friese riß einen Zettel aus seinem Notizbuch und bestätigte, daß er einen Reisepaß, ausgestellt auf den Namen Subin Tairong, übernommen habe. Auch er ließ die Blätter über den Daumen schnippen und vergewisserte sich, daß das Dokument in Ordnung und das Visum noch für fast zwei Monate gültig war.
»Wo kann diese Subin geblieben sein?« fragte er, ohne eine plausible Antwort zu erwarten.
»Was weiß ich«, antwortete Bongo mit einer Stimme, als sei es die selbstverständlichste Sache der Welt, daß ein Gast ohne seine Papiere spurlos verschwindet. »Vielleicht ist sie ab zur Reeperbahn; da kann eine junge Frau das wirkliche Leben studieren. Freier gibt’s ja satt! Im Hafen ist die halbe Navy vor Anker gegangen.«
»Ja, das haben wir auch schon bemerkt«, bestätigte Friese. »Es gibt viel mehr ernsthafte Schlägereien als sonst.«
Bongo nickte. »Die Hühner haben’s nicht leicht mit den Lords, die vor Kraft kaum noch gehen können, wenn sie wieder festen Boden unter den Füßen haben. Wie wollen Sie da eine vermißte Jungfrau finden?«
»Hoffnungslos – und ziemlich sinnlos«, meinte Friese.
»Sag’ ich doch«, stimmte Bongo zu. »Nehmen wir noch einen für das zweite Bein?«
»Danke, der eine reicht«, sagte Friese. »Ich muß weiter – und nicht vergessen: Wenn diese Subin auftaucht, rufen Sie bei mir an, klar? Tschüs denn!«
11
Der athletische Mann, glattrasiert und mit dunklem Haar, das fest am Kopf anlag, brauchte an diesem Abend keinen Katalog, um zu wissen, wie attraktiv die Frau war, die er erwartete. Seinen 700er BMW hatte er an der Zeppelinstraße geparkt. Die Anzeigetafel des Airports Hamburg-Fuhlsbüttel klickerte ihre Informationen herunter.
»Swirna-Airlines, Flight &04 – landed.«
Paolo Muskitus wartete im Bereich Ankunft geduldig, bis die Passagiere die Paß- und Zollabfertigung erledigt hatten. Als letzte der Crew kam Amara Javakul durch ein Nebengate in die Halle. Sie hatte sich beim Captain wegen Unpäßlichkeit vom »Private-briefing« abgemeldet. Der Paßcontroller vom Grenzschutzeinzeldienst gewährte mit einer freundlichen Handbewegung freien Durchlaß.
Erst als die Crew außer Sicht war, wandte Amara sich dem Wartenden zu. Ihr »Hallo« deutete ihm an, auf Distanz zu bleiben. Den Koffer durfte er übernehmen, aber als er nach dem Bordcase greifen wollte, schüttelte sie den Kopf. Der Koffer war schwer; Moskito rollte ihn mit einem Kuli zum Parkplatz und ließ ihn im Kofferraum des BMW verschwinden. Ganz selbstverständlich fuhr er den Transportwagen zum Sammelplatz zurück.
Amara hatte ihre Swirna-Pillbox und die Stewardessen-Jacke auf den Rücksitz geworfen – endlich fühlte sie sich frei von der Sorge um ihre kostbare Fracht. Sie lehnte sich in den Polstern des
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