Diplomat Im Abseits
nicht, denn seit der Flüchtlingsbewegung aus Vietnam waren Tausende von Boat-peoples in Deutschland seßhaft geworden. Auch von den Inselgruppen der Philippinen und Indonesiens hatte es eine Vielzahl von Menschen nach Europa verschlagen. Manche Frauen waren auch illegal gekommen, um hier zu arbeiten oder einen Mann zu finden, der sich das Vergnügen mit einer exotischen Schönheit etwas kosten ließ. – Und die Einwanderung aus Südosteuropa ließ sich nicht sinnvoll in die Ermittlungen einbeziehen.
Der Schlangenring, das hatten die Fragen ergeben, war mit einiger Gewißheit nicht in Bonner Geschäften gekauft worden; allenfalls hätte er hier den Besitzer privat gewechselt haben können. Für Kommissar Freiberg war nur der Hinweis eines Juweliers am Dreieck interessant, daß die eingravierten Versalien ROMA nicht auf die Initialen eines Paares, sondern auf Rom hindeuteten. Der Juwelier konnte sich daran erinnern, vor ein oder zwei Jahren einen Siegelring zur Reparatur bekommen zu haben, der ähnlich graviert war; nur habe dessen Schild die kapitolinische Wölfin mit den Zwillingen Romulus und Remus gezeigt.
»Wenn der Ring in Rom graviert worden ist«, überlegte Freiberg, »dürfte er auch in Rom gekauft worden sein.«
»Dann ist der Fall so gut wie gelöst«, lästerte Lupus. »Singer fährt hin und stellt fest, welcher Laden dafür in Frage kommt. Dort gibt es bestimmt eine Kundenkartei.«
Singer machte eine Handbewegung, als ob er etwas sagen wollte, zuckte dann aber nur mit den Schultern.
»Aber eines dürfte doch wohl ganz klar sein«, meldete sich die Kommissarin im Ehrenamt, »ganz arm kann die Dame nicht gewesen sein. Boat-people und so, das könnt ihr euch alles aus dem Kopf schlagen. Ich glaube, das war eine Frau aus besseren Kreisen oder eine Dame vom horizontalen Gewerbe, die gut Geld gemacht hat.«
Lupus rümpfte die Nase. »Ausdrücke hat sie, unsere Octopussy, bah. – Ahrens, versuch mal, ihr beizubringen, wie sich eine wirkliche Lady zu artikulieren hat. – Und woher willst du das alles wissen?« wandte er sich direkt an Fräulein Kuhnert. »Muß man reich sein, bloß weil man einen teuren Ring trägt? Den kann ihr jemand geschenkt haben, oder sie hat ihn gefunden – so was soll’s ja auch geben. Das ist doch kein Indiz für Reichtum.«
Sie sah Lupus pikiert an: »Vielleicht nicht, aber ich glaube einfach, daß sie Geld hatte, unsere Tote.«
Die Unterhaltung plätscherte an Kommissar Freiberg vorbei. Langsam glitten die Finger der linken Hand über seine Stirn, wobei der Daumen die Schläfe stützte. Unvermittelt kam die Frage: »Gibt es Zigeuner in Bonn?«
»Was sagst du?« schreckte Lupus auf. »Zigeuner? – Du meinst wirklich Sintis?«
»Ja!«
»Andere Rheinseite«, erklärte Peters. »Seit man sie von ihrem Stammplatz in Pützchen vertrieben hat, treffen sie sich in der Nähe des alten Wasserwerks am Rhein.«
»Von dort bis zur Fundstelle der Leiche sind es kaum zwei Kilometer«, ergänzte Lupus spontan den Hinweis. Er lebte seit 30 Jahren in Bonn und hatte die Topographie genau im Kopf. »Aber wieso, Chef Walter, kommst du auf Zigeuner?«
»Die Roma, Freunde, sind auch Zigeuner. Sie betrachten Rom als ihre Heimat. Aber man trifft sie bei ihren Wanderzügen auch im Gebiet der Sintis, die vorwiegend in Deutschland leben. Die haben sogar einen gemeinschaftlichen Dachverband.«
Fräulein Kuhnert sah ihren Chef bewundernd an. Auch Ahrens und Peters nickten anerkennend. Lupus verbarg seine Meinung hinter einer Frotzelei. »Du hast im Studium doch mehr gelernt als nur schreiben und lesen.«
Freiberg sprach unbeirrt weiter: »Es gibt sogar Zigeunergerichte, die Mitglieder der Sippe verstoßen können.«
»Du meinst doch wohl nicht mit Beton an den Füßen in den Rhein?« unterbrach Lupus.
»Aber nein, jedenfalls habe ich nie von einem solchen Fall gehört. Bei denen geht es humaner zu als bei den alten Germanen, die uns so schöne Moorleichen beschert haben. – Aber wissen möchte ich schon, ob sich zur fraglichen Zeit Zigeuner am alten Wasserwerk aufgehalten haben. – Wer kann da weiterhelfen?«
»Die Beueler Polizei, Schutzbereich fünf«, erklärte Peters. Lupus nickte, schüttelte dann aber den Kopf. »Zu regional; frag mal beim Ordnungsamt an. Treffplätze müssen vergeben werden – und die Sintis verhalten sich da sehr korrekt.«
Fräulein Kuhnert hatte schon die Nummer gewählt und stellte das Gespräch zu Freiberg durch.
Die Auskunft ließ die Tischrunde
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