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Diplomat Im Abseits

Titel: Diplomat Im Abseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg R. Kristan
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annehmen.
    An Freiberg waren mit dieser komprimierten Erläuterung in wenigen Sekunden ganze Hierarchien von Bediensteten vorbeigepurzelt. Um so erfreulicher war es, daß die Referatsleiterin ihn nicht warten ließ. Sie war brünett, blauäugig und schlank, so um die Vierzig – und sollte sich als eine recht patente Gesprächspartnerin herausstellen.
    Nachdem sie Freibergs Geschichte ohne zu unterbrechen angehört hatte, meinte sie: »Etwas schwierig; vor allem aber ungewöhnlich. Eine fremde Mission um die Aushändigung ihrer Gästeliste zu bitten, liegt außerhalb meiner Kompetenz. Offiziell möchte ich das auch gar nicht versuchen – aber auf der unteren Ebene müßte sich etwas machen lassen.«
    Freiberg lachte. »Auf dem Obergefreitendienstweg sozusagen.«
    »Sie waren beim Bund?«
    »Ja, Leutnant der totalen Reserve.«
    »Und dann sind Sie bei der Kripo gelandet? – Verzeihen Sie meine Neugier, aber wann hat man schon mal Gelegenheit, jemanden von der Polizei zu befragen.«
    »Ist schon okay. Der Herr Kultusminister – dem Himmel sei Dank – hatte keinen Platz für einen doppelt Staats- und leidgeprüften Lehrer.«
    »Warum haben Sie sich nicht für den Auswärtigen Dienst beworben?«
    Freiberg hatte nichts gegen die lockere Inquisition der resoluten Dame: »Pardon, Madame, aber ich weiß nicht, welche Vorstellung für mich schrecklicher ist: Lehrer oder Diplomat.«
    »Nun«, bog sie ab, »wir wollten ja ein anderes Thema behandeln. Also, bei den größeren Veranstaltungen der Botschaften sind manchmal Damen mit von der Partie, die von Bekannten ohne offizielle Einladung eingeschleust werden. In so einem Falle würden uns Listen auch nicht helfen. – Verdammt schwierig, hier weiterzukommen. Aber denken wir praktisch und systematisch: Von deutscher Seite müßten ja auch einige Teilnehmer dabei gewesen sein; mit denen fangen wir am besten an.«
    Freiberg atmete auf. »Haben Sie die erfaßt?«
    »Leider nicht alle. Wir versuchen, ein bißchen zu steuern, daß die Einladungen nicht nur auf einige wenige herunterprasseln«, erläuterte Frau Weniger die protokollarischen Sorgen. »Wenn Sie sich ein paar Minuten gedulden, schaue ich mal in die Akte.«
    Freiberg ging zum Tisch in der Ecke und blätterte die dort ausliegenden Informationsbroschüren durch. Einige Zentimeter dick vermittelte der Jahresbericht der Bundesregierung den natürlich allerbesten Eindruck von der Tätigkeit der Staatsorgane. Die darin konterfeiten Politiker schienen alle ihrem längst entschwundenen jugendlichen Aussehen nachzutrauern; sie hatten Fotos aus jener Zeit den Vorzug gegeben. Eingeheftete Karten zeigten das weitverzweigte Netz der deutschen Auslandsvertretungen, der Kultureinrichtungen und der im Ausland geförderten Schulen.
    Frau Weniger war unbemerkt zurückgekommen. »Na, doch Interesse am Auswärtigen Dienst?«
    »Lehrer an der deutschsprachigen Schule in Karatschi – vielleicht wäre das was.« Dabei dachte Freiberg daran, wie seine studentische Hilfskraft auf so einen Vorschlag anspringen würde. »Das Hinterletzte« wäre wohl einer ihrer zahmsten Ausdrücke. Er schmunzelte. – »Und Sie, haben Sie etwas gefunden?« fragte er.
    »Nicht viel.«
    »Spannen sie einen Freund und Helfer nicht unnötig auf die Folter, bitte.«
    »Ich hatte schon angedeutet, daß wir – diskret natürlich – die Einladungen an unsere Großkopfeten ein wenig steuern. Jeder Missionschef will bei besonderen Anlässen den Bundeskanzler oder den deutschen Außenminister höchstpersönlich begrüßen. Staatssekretäre sind auch noch wichtige Leute, aber dann wird’s schon problematisch. Sie müssen das verstehen; durch hochrangige Gäste möchte mancher Botschafter sich selbst bei seiner Regierung aufwerten und die meist viel zu hohen Repräsentationskosten rechtfertigen. Kurzum, das Spiel muß gesteuert und in die Breite gezogen werden. – Aber für Ihren Fall können wir die Superchargen wohl vergessen.«
    Freiberg nickte: »Vergessen wir sie.«
    Frau Weniger legte das mitgebrachte Aktenstück beiseite. Sie hatte einen Zettel herausgenommen. »Ich habe hier noch eine Notiz mit drei Namen, die Ihnen vielleicht weiterhelfen könnten. Sie sollten versuchen, mit diesen Teilnehmern des Empfangs Kontakt aufzunehmen: VLRI Engelbert, zuständig für besondere Wirtschaftsbeziehungen, VLR von Campen, Kulturreferent, und Frau von Teschenburg, zuständig für Auslandsschulen – da hätten Sie auch gleich eine persönliche Ansprechpartnerin für den

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