Dir darf ich nicht gehören
erwecken, aber ihn zu heiraten. Allerdings war es nicht diese
praktische Überlegung, die ihr leichte Übelkeit verursachte, sondern die
moralische Bedeutung des Versuchs, einen Mann in die Ehe zu locken. Sie nahm
den Federkiel vom Schreibtisch, prüfte die Spitze und tauchte sie ins
Tintenfass.
Hüten
Sie sich vor einem großen, dunklen, gut aussehenden Fremden. Er kann Sie
vernichten - wenn Sie sein Herz nicht zuerst erobern.
Warum
kamen ihr jene Worte der Wahrsagerin gerade jetzt in den Sinn?
Sie
würde es nicht tun, dachte sie fest entschlossen. Sie würde nichts freiwillig
tun, um seine Bewunderung - oder seine Lust - zu erwecken. Aber was
wäre, wenn sie nichts zu tun brauchte? Was wäre, wenn sich seine
offensichtliche Zuneigung zu ihr von allein zu etwas Tieferem entwickelte? Was
wäre, wenn ...
Nein,
nicht einmal dann, dachte sie und verzierte die Anfangsbuchstaben oben mit
einem Schnörkel: »Liebste Mama, Claire und Maria«. Sie zwang sich, ihre
Aufmerksamkeit auf den Brief zu richten.
Er war
nicht betrunken gewesen, dachte sie, nachdem sie fünf Worte geschrieben hatte.
Sie hatte Ale auf seiner Zunge geschmeckt, das schon, aber er war nicht
betrunken gewesen. Und er hatte ihr erklärt, dass er nicht vorgehabt hatte, sie
zu verführen, dass sie bei ihm sicher wäre. Und was noch schlimmer war: Sie
hatte ihm geglaubt. Sie tat es noch immer.
Nein,
sie würde sich nicht ablenken lassen, dachte sie, während sie verbissen
weiterschrieb. Und sie würde sich nicht erlauben, ihn zu mögen.
Aber an
diesem Nachmittag erkannte sie, dass diese Gefahr überhaupt nicht bestand.
Tatsächlich war er so ungefähr der verachtenswerteste Mann, den sie jemals
kennen gelernt hatte.
Sie
hatte vor über einem Jahr die Idee gehabt, einen Handarbeitskreis für die
Frauen des Dorfes und der Nachbarschaft zu gründen. Es gab mehrere Orte und
Ereignisse für Zusammenkünfte der Männer, aber nur sehr wenige für die Frauen.
Seitdem trafen sie sich wöchentlich im Kirchengewölbe. Aber vor zwei Tagen
hatte Viola den glücklichen Einfall gehabt, die Gruppe stattdessen in den Salon
auf Pinewood einzuladen. Zu dem Zeitpunkt hatte sie geglaubt, nichts wäre
besser geeignet, um eine Stadtpflanze eiligst nach London zurückzutreiben, als
einige Dutzend Frauen zu Handarbeit und Konversation in dem Salon zu
versammeln, den er als sein Eigentum betrachtete.
»Das
war wirklich eine bemerkenswert gute Idee von Ihnen, Miss Thornhill«, lobte Mrs
Codaire, während sie ihr Stickgarn um sich ausbreitete. »Einmal abgesehen von
Ihrem Hauptgrund für die Einladung, ist dies ein weitaus angenehmerer
Treffpunkt als das Kirchengewölbe. Das soll keine Beleidigung für Sie sein, Mrs
Prewitt.«
»Schon
gut, Eleanor«, versicherte ihr die Frau des Pfarrers gnädig.
»Ich
muss allerdings sagen«, fuhr Mrs Codaire fort, »dass mir Seine Lordschaft ein
überaus liebenswürdiger Gentleman zu sein schien, als ich ihn gestern mit Mr.
Codaire und den Mädchen hier aufsuchte.«
»Er
bestand auch neulich abends darauf, mich nach der Chorprobe nach Hause zu
begleiten«, sagte Miss Prudence Merrywether atemlos. »Ich wäre lieber allein
gegangen, denn mir fiel nicht ein einziger intelligenter Satz ein, den ich zu
dem Bruder eines Dukes hätte sagen können, und ich wäre wohl stumm geblieben,
wenn er mich nicht gebeten hätte, ihm zu erklären, welche Erde für die
Rosenzucht am besten geeignet ist. Aber es war sehr zuvorkommend von ihm, an
meine Sicherheit zu denken, auch wenn der Gedanke, man könnte in Trellick nicht sicher sein, recht lächerlich ist. Und wer käme überhaupt auf die Idee,
mich anzugreifen, wo ich weder jung noch hübsch noch reich bin.«
»Das
hat er nur aus Gerissenheit getan, Prudence«, sagte ihre Schwester energisch
und zu Violas Zufriedenheit. »Er möchte, dass wir ihn alle mögen. Ich habe aber
nicht die Absicht, seinem Charme zu verfallen.«
»Recht
so, Miss Merrywether«, pflichtete Mrs Claypole ihr bei. »Kein wahrer Gentleman
würde darauf bestehen, auf Pinewood zu leben, bevor Miss Thornhill eine Chance
hatte auszuziehen. Es ist schockierend und vollkommen seine Schuld. Er hat
keine Kinderstube.«
»Vorgestern
Abend hat er mich einfach nicht als Violas Anstandsdame hier bleiben lassen
wollen«, fügte Bertha hinzu. »Er war bemerkenswert grob.«
»Außerdem
lächelt er zu viel«, schaltete sich Mrs Warner ein. »Das habe ich während des
Maifests bemerkt.«
»Obwohl
es wirklich ein reizendes Lächeln ist«, sagte
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