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Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)

Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)

Titel: Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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Mythos.

    25

    Im Laufe der Nacht bekam Lydia Fieber, wälzte sich vor Schmerzen hin und her und rief laut im Schlaf. Wyatt ging jedes Mal zu ihr, stand da und betrachtete sie. Er wollte nichts mit einer Leiche zu tun haben. Auch vermochte er nicht zu sagen, ob er Lydia vertraute. Er fand es sonderbar, dass sich eine ganze Reihe flüchtiger Gefühle bei ihm einstellte, alte, verloren geglaubte und auch neue. Begehren war eins davon. Als attraktiv konnte man sie in ihrem elenden Zustand schwerlich bezeichnen, aber ihre Gegenwart nahm er intensiv wahr.
    Am Donnerstagmorgen fühlte er sich völlig gerädert. Als sie aufwachte, saß er in einer Ecke des Zimmers auf einem Stuhl und beobachtete sie. Das Fieber war abgeklungen und ihr Teint hatte eine gesündere Farbe. Lydia gelang ein gekrächztes »Hallo«, aber dann sah Wyatt, wie sie die Augen schloss und ihre Finger sich verkrampften, als der Schmerz sie überfiel.
    Er ging zu ihr, sah auf sie hinunter und sagte nichts. Sie schlug die Augen auf. »Welcher Tag ist heute?«
    »Donnerstag.«
    »Ich habe immer noch Kopfschmerzen. Als ob es direkt im Knochen steckt.«
    »Der Arzt meldet sich später noch mal.«
    Mit den Fingern ihrer rechten Hand tastete sie über den Verband. »Erzählen Sie mir, was passiert ist.«
    »Ich denke, dass Sie den Kopf zur Seite gedreht haben, um aus dem Fenster zu schauen, genau in dem Moment, als Eddies Freundin abgedrückt hat. Die Kugel hat Sie nur gestreift. Hätten Sie den Kopf nicht bewegt, wären Sie jetzt tot.«
    Ihr flackernder Blick wanderte an Wyatt vorbei durch das Zimmer. Sie bewegte kaum die Lippen, als sie sagte: »Ich müsste etwas essen und trinken, aber ich habe das Gefühl, alles tut weh, wenn ich mich bewege.«
    »Ja.«
    Tränen traten ihr in die Augen. »Und ich muss ein Bad nehmen. Ich stinke.«
    »Zuerst wird gegessen und getrunken.«
    Er flößte ihr Suppe ein und gesüßten Tee. Etwas Suppe und Tee rann ihr seitlich aus dem Mund, sammelte sich in ihrer Halsgrube und drohte unter ihr T-Shirt zu fließen. Wyatt tupfte es unbefangen ab, und abgesehen von Lydias Schluckgeräuschen und dem Klang des Löffels, wenn er gegen ihre Zähne schlug, war es im Zimmer vollkommen still.
    Wyatt trug zuerst das Geschirr in die Küche und ließ anschließend Wasser in die Wanne laufen. Er kam genau in dem Moment ins Schlafzimmer zurück, als Lydia sich aufsetzte, ihre Beine aus dem Bett schwang, bis ihre Füße den Boden berührten, dabei ins Schwanken geriet und sich mit beiden Händen an die Schläfen fasste. Er half ihr aufzustehen.
    »Wie sollen wir das machen?«, fragte sie.
    »Sie ziehen sich aus, steigen in die Wanne und ich warte draußen. Lassen Sie die Tür auf. Ich muss aufpassen, dass Sie nicht ohnmächtig werden.«
    Sie sah ihn an und beschloss, ihm zu vertrauen. »Ich brauche frische Sachen.«
    »Ich habe gestern einiges aus Ihrem Haus mitgebracht.«
    Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Es klang, als hätte er ihr einen Gefallen tun wollen, aber sie vermutete, dass dem nicht so war. Sie war groß und dünn wie er, sie hätte sich mit einer Jogginghose und einem T-Shirt von ihm behelfen können, selbst wenn beides etwas reichlich für sie gewesen wäre. Sie sagte: »Danke.«
    Er brachte sie ins Badezimmer, überprüfte die Wassertemperatur und drehte den Hahn zu. Mit dem Rücken zu Wyatt zog Lydia ihr Höschen aus. Sie griff den Saum des T-Shirts und zog es vorsichtig über Gesicht und Kopf. Ihre Stimme klang gedämpft, als sie »Autsch« sagte.
    Ihr Körper war schlank und blass, das Haar klebte ihr verschwitzt und kraftlos am Hals und man sah deutlich jeden einzelnen Wirbel ihres Rückgrates. Wyatt wollte sich aus Höflichkeit zurückziehen, drehte sich um und bekam nicht sofort mit, dass Lydia das Gleichgewicht verlor und ins Stolpern geriet. Gerade noch rechtzeitig konnte er sie auffangen, sie stützen und ihr über den Rand der Wanne helfen, damit sie sich ins Wasser setzen konnte. Ihre Haut war warm, aber das Wasser war wärmer, und er sah, wie sich die feinen Härchen an ihrem Körper aufrichteten. Sie zog die Knie an, und er verließ das Badezimmer.
    Sie blieb eine halbe Stunde in der Wanne, ließ ab und an heißes Wasser nachlaufen. Phasen der Stille wechselten sich ab mit Planschgeräuschen, wenn Lydia sich einseifte. Mitten in die Stille hinein ertönte das eine oder andere »Ich lebe noch«.
    Wyatt kochte unterdessen Kaffee und beschäftigte sich gedanklich mit Eddie Oberin, versuchte, sich in ihn

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