Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)
hineinzuversetzen. Als er darüber nachdachte, dass Frauen in Eddies Leben eine Konstante bildeten, ging er zur Badezimmertür, die einen Spaltbreit offen stand, und fragte: »Hat Eddie eine Schwester?«
»In Perth. Sie haben keinen Kontakt.«
»Cousinen?«
»Keine Ahnung.«
»Freundinnen von früher?«
»Höchstens fünfhundert. Sie wissen doch, wie er ist.«
Wyatt wusste das. Er wusste auch, dass Eddie Oberin ein Gewohnheitsmensch war, und die Pflege seiner Gewohnheiten konnte den Ausschlag dafür gegeben haben, wie und wo er den weiblichen Schützen kennengelernt hatte.
»Von Furneaux’ Angestellter haben Sie nichts gewusst?«
»Nein, ich schwöre es.«
»Egal, sie spielt keine Rolle mehr«, sagte Wyatt.
Lydia schwieg dazu.
»Und Eddie hat niemals den Klub Blue Poles erwähnt?«
»Nein.«
Wasser plätscherte und dann sagte Lydia: »Sie haben erwähnt, Sie hätten Le Page in der Nähe von Eddies Haus gesehen.«
Wyatt fragte sich, ob es ihr gerade eingefallen sei oder ob sie mit der Frage mehr verfolge, dahinterkommen wolle, was er wusste, und er erwiderte knapp: »Ja.«
Schweigen.
Dann: »Wenn er dem Mädchen gefolgt ist, hegen die möglicherweise den Verdacht, dass sie in die Sache verwickelt ist.«
»Ja.«
Pause. Und schließlich: »Es wird ein Leichtes für die sein, Eddies Namen herauszufinden.«
»Ja.«
»Und eventuell auch meinen.«
Das war alles richtig, also kommentierte Wyatt es nicht. Er war im Begriff, sich von der Tür zu entfernen, als ihm eine weitere Frage einfiel. »Hatten Sie und Eddie einen bevorzugten Urlaubsort?«
»Wyatt, das ist zehn Jahre her.«
»Wo?«
»Er mochte die Gold Coast, ich dagegen die Sunshine Coast.«
Ihre Stimme klang ein wenig verloren und traurig, doch Wyatt war weit davon entfernt, Mitgefühl zu haben oder es in Worte zu fassen. Sie hatte nicht gewusst, dass ihr Exmann sie einfach sterben lassen würde, aber sie hätte informiert sein können, dass Eddie das auch für ihn, für Wyatt, vorgesehen hatte. Als er sich umdrehte, hörte er heftiges Wasserplanschen. Er blieb stehen. »Brauchen Sie Hilfe?«
»Meine Haare ... « Es klang kläglich.
Er verstand. Sie trug einen Verband um den Kopf, wollte sich aber das Haar waschen. Sie brauchte seine Hilfe, was das Maß voll machte, was Demütigung und Verletzlichkeit betraf. Sie hasste ihren Zustand und übertrug das auf Wyatt. »Ziehen Sie sich an«, sagte er. »Wenn Sie einverstanden sind, wasche ich Ihnen die Haare über dem Waschbecken.«
Sie gab schließlich nach. »Sind Sie sicher?«, fragte sie.
»Ja. Schaffen Sie es allein aus der Wanne?«
»Nein«, erwiderte sie nach einer kleinen Pause.
Sie kniete im Wasser, den feucht schimmernden Rücken gebeugt und die Schulterblätter zusammengezogen, während sie beide Arme ausbreitete, um sich rechts und links auf dem Rand der Wanne abzustützen. Er ging etwas in die Knie, hob Lydia Stück für Stück hoch, brachte sie zuerst in eine stehende Position und bevor sie sich ausruhen und gegen ihn lehnen konnte, hob er sie ganz aus der Wanne und auf die Badematte, wo er sie mit einem Handtuch abtrocknete. Er hielt einen Augenblick inne, als sie zu schwanken begann. Sie fing sich jedoch recht schnell und trocknete sich vorsichtig den Rücken ab. Bis auf ihren Kopf und die schlanken Oberschenkel verschwand alles hinter dem Badetuch.
»Ihre Sachen.« Wyatt deutete auf einen Stapel Kleidungsstücke, der auf dem weißen Weidenkorb neben dem Handwaschbecken lag.
»Danke«, murmelte sie.
Die Luft im Badezimmer war feucht und duftete angenehm. Vermutlich rührte der Duft von seiner Seife her. Bisher hatte Wyatt ihren Duft kaum wahrgenommen.
Er ging zurück zu seinem Notizbuch und seinem leeren Kaffeebecher. Bevor er neuen Kaffee kochen konnte, rief Lydia: »Fertig.«
Beim Waschen ihrer Haare überkamen ihn merkwürdige Empfindungen, Geräusche, vage Vorstellungen, das Ertasten einer bestimmten Beschaffenheit. Möglich, dass er andere Frauen über ein Waschbecken gebeugt gesehen hatte, gleichwohl, er war sich sicher, ihnen nie dabei geholfen zu haben. Oder vielleicht hatte seine Mutter sich so verhalten, als er Kind gewesen war. Ihm gegenüber? Gegenüber seiner Schwester? Doch das war lange her und er wusste nichts mehr von ihnen, wusste nicht einmal, ob sie noch lebten oder bereits tot waren. Er verließ sich nicht auf seine Erinnerungen. Für Erinnerungen wie diese hatte er keine Verwendung. Er konzentrierte sich jetzt ganz auf das, was er gerade mit Lydias
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