Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)
Domizil in South Yarra bis zu Joe Furneaux' winzigem Haus in Richmond, und dann den ganzen Weg hinaus zu diesem gottverlassenen kleinen Park in Ringwood. Die Jungs vom Nachtdienst hatten wissen wollen, wann sie den Falcon zurückbringe. »Wenn ich fertig bin«, hatte sie erklärt, immerhin stand sie rangmäßig über ihnen.
Keine Überstunden, so die Ansage. Aber für sie lag nichts anderes an — also, warum sich nicht die Zeit ans Bein binden? Am Ende könnte es sich sogar auszahlen.
Rigby hielt an einem Zubringer neben dem Park, lehnte sich zurück und wartete. Sie sah Henri und Joseph über eine kleine Lichtung zuckeln, über eine Überführung und anschließend vorbei an einem Spielplatz mit Schaukeln. Danach kehrten sie zu ihrem Wagen zurück. Eine halbe Stunde verging. Die Welt schien stillzustehen. Dann, kurz vor sieben, stieg Henri wieder aus. Sollte dies eine Übergabe werden, wäre eine Parkbank abseits des Grillplatzes und der Schaukeln der ideale Ort, aber Henri, einen Aktenkoffer in der Hand, steuerte die Überführung an. Rigby fluchte. Ihre Sicht wurde durch ein Toilettenhäuschen eingeschränkt.
Sie langte nach dem Zündschlüssel, änderte jedoch ihre Meinung, als sie unruhige Lichtkegel sah, zwei Motorräder, die von der anderen Seite in den Park fuhren. Motorräder und Fahrer unterschieden sich nicht und sie fuhren nicht in ihre, Rigbys, Richtung. Keine Chance, die Nummernschilder zu erkennen. Wenn sie den Wagen anließe, riskierte sie, jeden aufzuscheuchen. Vielleicht besser aussteigen und durch den Park spazieren? Aber Furneaux würde sie erkennen und sie musste nun mal herausbekommen, was da genau abging.
Sie kletterte auf den Rücksitz, um einen besseren Blick zu haben. Alles andere als perfekt. Von ihrem Beobachtungsposten aus sah sie, wie eines der Motorräder langsam durch den Park fuhr. Das zweite fuhr einen weiten Bogen, immer entlang der Umzäunung, um vermutlich zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Rigby duckte sich auf der Rückbank, als die Maschine mit gedrosselter Geschwindigkeit an ihr vorbeifuhr. Nun passierte erst einmal gar nichts. Die Spieler hatten ihre Positionen eingenommen, bewegten sich aber nicht. Rigby wartete. Sie dachte daran, Unterstützung anzufordern, nur fiel ihr keine Begründung ein für den Fall, dass sich nichts ereignete.
Augenblicke später brauste der erste Fahrer auf die Überführung.
Rigby fluchte. Sie schaltete das Innenlicht des Wagens ab, damit es beim Öffnen der Tür nicht anginge, stieg aus und drückte die Tür mit einem leisen Klicken zu.
In der Zeit, die sie brauchte, um in geduckter Haltung zum Toilettenhäuschen zu rennen, war das Motorrad wieder gestartet, zum anderen Ende der Überführung geschossen, aus dem Park gerast und weiter den Highway entlang Richtung Osten. Rigby hetzte zurück zum Falcon, überzeugt, dem Motorrad folgen zu müssen. Sie würde sich dort postieren, wo es entlanggefahren war, die Jungs vom Verkehr alarmieren, damit die es anhielten, die Festnahme erledigten und sie über den Fahrer die Furneaux’ beim Wickel bekam.
Auf halbem Wege zum Wagen stoppte sie ab, geriet ins Schlittern und blieb stehen. Dem Motorrad folgen? Unterstützung anfordern? Henri Furneaux festnehmen, durchsuchen und befragen? Sie kam zu keiner Entscheidung und fühlte sich mit einem Mal ziemlich allein. Sie ging den Weg zurück zum Toilettenhäuschen. In der fortgeschrittenen Dämmerung zeichnete es sich hinter den Bäumen und ihrem bewegten Schattenspiel ab. Der Buckel einer Wurzel brachte Rigby ins Straucheln, sie fand ihr Gleichgewicht wieder und hörte einen dumpfen Knall von der anderen Seite des Toilettenhäuschens. Kurz darauf einen zweiten. Und sie meinte, etwas wie Mündungsfeuer gesehen zu haben.
Sie rannte los, presste sich gegen die Mauer des Toilettenhäuschens und linste um die Ecke. Der zweite Motorradfahrer fuhr über das Gras rund um den kleinen Teich. Er machte am Mercedes halt. Und diesmal gab es keinen Zweifel, dass es sich um einen Schuss und bei dem Blitz im schwindenden Licht um Mündungsfeuer handelte.
Wenn sie Zeugen befragte, sagten die immer: »Es ging alles so schnell.« Sie hatten recht. Rigbys Kiefer klappte herunter, eine Angewohnheit, die Kollegen »Fliegen fangen« nannten. Auch den Leuten auf dem Grillplatz klappten die Kinnladen herunter; ein Mann schrie in sein Mobiltelefon.
Rigby fing sich wieder, rannte los zu ihrem Wagen. Sie ließ den Motor an und nahm die Verfolgung des Täters auf, verfluchte dabei
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