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Dirty Talk

Dirty Talk

Titel: Dirty Talk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Mullany
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Museum gehen oder so was. Oder wir gucken, ob wir irgendwelche Typen am Beerdigungsinstitut aufreißen können.“
    „Klar. Danke.“ Ich erwiderte die Umarmung. Leider fing ich schon wieder an zu heulen. So langsam war ich es leid. „Du bist meine beste Freundin. Ich hab dich so lieb.“
    „Scheiße, wir können auch in eine Lesbenkneipe gehen und Weiber aufreißen, wenn dir das lieber ist. Und jetzt zurück ins Studio mit dir. Erzähl den Leuten was Schönes.“
    Ich ging wieder ins Sendergebäude. Mir fiel ein anderer Wagen auf, der noch auf dem Parkplatz stand. Einen Moment lang fragte ich mich, wem er gehörte. Dann war ich zurück im Studio, putzte mir die Nase, gurgelte mit Wasser und ging wieder auf Sendung.
    Während ich mein Kündigungsschreiben aufsetzte, spielte ich Bruckner. Traurig, würdevoll, ernst. Genauso war mein Brief, den ich ausdruckte, gefaltet in einen Umschlag steckte und in Neils Postfach legte. Jetzt blieb nicht mehr viel Zeit. Eigentlich hatte ich noch im Radio verkünden wollen, dass dies mein letzter Abend beim Sender war, aber ich konnte es nicht. Ich dachte an meine Hörer. An die Schlaflosen und Einsamen da draußen, die Traurigen und Besorgten, die mir immer wieder gesagt hatten, dass die Musik, die ich spielte, ihr Leben etwas erträglicher machte. Ob sie mich vermissen würden? Würden sie anrufen, um zu fragen, wohin ich gegangen war?
    Ich legte mir das Material für die nächste Moderation zurecht. Sponsoren und das Wetter, das ich immer live ansagte. Kimberly hatte recht. Es gab eine Unwetterwarnung für Eisregen nach Mitternacht.
    Und dann spielte ich das letzte Musikstück meiner Zeit beim Sender. Scheherazade von Rimski-Korsakow. Irgendwie war das mein ironischer Tribut, den ich meinen schlechten Taten zollte. Und dann tat ich etwas, das ich viel zu selten im Studio getan hatte. Ich setzte den Kopfhörer auf und lauschte jeder einzelnen Note, jedem Anschwellen und Seufzen der Musik. Ich verlor mich in der Geschichte, die dieses Stück mir erzählte.
    Dann war es vorbei. Ich schob den Mikrofonregler nach oben und verabschiedete mich. Es war mir ein Vergnügen. Gute Nacht und Auf Wiedersehen. Ich schloss das Studio ab und legte meine Schlüssel in mein Postfach. Dann schaute ich nach, ob ich alles dabeihatte, und rollte mein Fahrrad nach draußen. Die Tür knallte hinter mir ins Schloss.
    Als ich das Bein über den Sattel schwang und losfuhr, hörte ich etwas, das mir seit meiner Kindheit in Vermont vertraut war. Das leise Klirren von Eisregen und das Knarren und den lauten Knall, als ein Ast unter der Last des Eises nachgab. Ich bemerkte, dass die nackten Äste im Licht der Parkplatzbeleuchtung gespenstisch glänzten.
    Aber ich hatte keine Zeit, dieses Schauspiel zu bewundern, das aus einer anderen Welt zu stammen schien. Es war auch keine Zeit, Angst zu bekommen vor dem, was die Natur da angerichtet hatte. Zwei Frontscheinwerfer flammten auf, und das Auto auf dem Parkplatz beschleunigte und hielt direkt auf mich zu. Der Fahrer verlor die Kontrolle, der Wagen rutschte seitlich weg.
    Ich stand in den Pedalen und flehte still, dass der Asphalt unter den Reifen wie durch ein Wunder eisfrei war. Dann schoss ich vor. Meine Oberschenkelmuskeln protestierten, während ich auf den Radweg und die relative Sicherheit zuhielt. Irgendwie hielten die Reifen den Kontakt mit dem Asphalt, bis ich den Parkplatz hinter mir ließ. Ich war jetzt nicht mehr in Gefahr, vom Auto gerammt zu werden. Aber ich spürte, wie das Rad unter mir wegrutschte, und auf dem Radweg vor mir lag ein Ast, der unter dem Gewicht des Eises nachgegeben hatte.
    Zusammenrollen. Den Kopf schützen. Ich versuchte, mich an all das zu erinnern, was ich darüber gelernt hatte, wie man richtig von einem fahrenden Rad fiel. Nicht die Arme ausstrecken. Nicht …
    Das Rad und ich wurden voneinander getrennt. Die Bäume und der Himmel drehten sich über mir. Mein behelmter Kopf prallte mit einem schrecklich lauten Knall auf den Boden, und der Rest von mir folgte. Ich stürzte auf den unnachgiebig harten Asphalt. Aber wenigstens konnte ich den freien Fall aufhalten. Ich war ziemlich froh, dass ich einfach still daliegen konnte. Neben mir hörte ich ein tickendes Geräusch, das erst langsamer wurde und dann ganz verstummte. Die Räder meines Fahrrads, die sich drehten. Auf dem Parkplatz heulte der Motor des Wagens auf, dann hörte ich das dunkle Brummen, als der Fahrer zurücksetzte. Das Motorengeräusch verklang in der Ferne.

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