Dirty Talk
Jetzt war es ganz still. Ich hörte nur das Knacken der Äste und das eisige, hohe Klirren des Eisregens. Jetzt waren nur noch ich und das Eis hier draußen.
Scheiße.
Sobald ich versuchte, mich zu bewegen, wusste ich, dass irgendwas mit mir nicht stimmte. Teile meines Körpers ließen mich ziemlich nachdrücklich wissen, dass sie verletzt waren; ich vermutete Schürfwunden und Prellungen. Am besten untersuchte ich erst mal, wie viel Schaden angerichtet war. Zuerst sollte ich mich aufsetzen. Ich versuchte, mich auf die Seite zu drehen und in eine aufrechte Position zu hieven, was mir gründlich misslang. Ein Arm ließ sich einfach nicht bewegen, und dann, als ich es schaffte, tat er höllisch weh. Ich gab die Hoffnung auf, mich aufsetzen zu können. Doch der Schmerz war da und erfasste meinen ganzen Körper.
Handy. Ich musste jemanden anrufen. Es war so eiskalt, dass ich hier erfrieren konnte. Und ich war verletzt. Das war ungerecht. Ich hatte bereits eine beschissene Woche hinter mir, und jetzt hatte auch noch so ein Arsch versucht, mich von der Straße oder vom Parkplatz abzudrängen. Ich fing an zu weinen, dann griff ich nach hinten und versuchte, aus der Seitentasche meines Rucksacks das Handy zu holen.
Nein, da war es nicht. Es steckte in der Innentasche meiner Jacke. Das glaubte ich zumindest. Es dort herauszuziehen, war leichter. Doch dafür musste ich den verletzten Arm bewegen, der sich wie brennende Götterspeise anfühlte. Ich umfasste den verletzten Arm mit der anderen Hand und bewegte ihn. Der plötzliche Schmerz ließ mich fast kotzen. Ich hätte eigentlich auch meinen Handschuh ausziehen müssen, aber das schaffte ich nicht mit nur einer Hand. Ich zog das Handy hervor, und es gelang mir gerade noch, es aufzuklappen. Dann glitt es mir aus der Hand und landete neben mir auf dem Boden.
Scheiße.
Ich legte mich wieder hin. Ich wusste, eigentlich sollte ich jetzt Kimberly anrufen. Immerhin hatte sie angeboten zu kommen, und das war wirklich ein guter Grund, sie um Hilfe zu bitten. Aber mein Verstand war nicht gerade dazu angetan, sich in diesen Tagen auch nur annähernd vernünftig zu verhalten.
„Patrick anrufen“, sagte ich ins Telefon. Ich dankte Gott und der modernen Technologie für die Spracherkennung.
27. KAPITEL
Patricks Telefon klingelte fünfmal, ehe er dranging. Dieses fünffache Klingeln dauerte für mich eine Ewigkeit, und ich erschrak trotzdem, als ich schließlich seine Stimme hörte. Er klang kalt und misstrauisch.
„Was willst du noch, Jo?“
„Ich bin verletzt.“ Es schien das Vernünftigste, es einfach auszusprechen. Direkt und ohne Umschweife. Auf den Punkt.
„Es ist halb zwei in der Früh, verdammt. Gute Nacht.“
„Nein, ich bin verletzt .“ Es kostete mich viel Kraft, nach den richtigen Worten zu suchen. „Ich glaube, ich hab mir das Handgelenk gebrochen.“
„Wie bitte?“
Mir fehlten die richtigen Worte. „Mein Fahrrad.“
„Du hattest einen Unfall?“
„Ja.“
„Jo, wo um alles in der Welt steckst du?“
„Der Radweg … in der Nähe des Senders.“
„Himmel!“ Ich konnte jetzt Geräusche im Hintergrund hören, als bewegte er sich, während er redete. „Du fährst bei Eisregen mit dem Fahrrad?“
„Jetzt nicht mehr.“ Allmählich kostete es mich zu viel Kraft, dieses Gespräch aufrechtzuerhalten. Ich fragte mich einen Moment, ob ich mich etwa schon der Kälte ergab. Auf meiner Kleidung sah ich eine dünne Eisschicht. „Ich bin gestürzt.“
„Halte durch. Ich bin gleich bei dir.“
Ich glaube, ich war eingeschlafen, denn das Nächste, was ich hörte, war Patrick, der meinen Namen rief.
„Hallo, Patrick.“
„Ich habe einen Krankenwagen gerufen. Die sind leider grad mit einem schrecklichen Unfall auf dem Highway befasst, darum komme ich jetzt zu dir. Beweg dich nicht, hörst du?“
„Kann mich nicht bewegen.“
Er redete, und ich hörte ihm zu. Manchmal schrie er mich an, und dann musste ich mich zusammenreißen, damit ich mich nicht in dieses verführerische Dunkel gleiten ließ, in dem ich nichts mehr spürte. Ich sagte dann immer nur, dass ich ihn hörte.
Und plötzlich war er nicht nur am Telefon, sondern direkt neben mir. Er berührte mich, und der fallende Eisregen glitzerte im Licht der Scheinwerfer seines Autos. „Wo bist du verletzt? Der linke Arm? Wo noch?“
„Ich bin so müde.“
„Ich weiß, dass du müde bist. Aber ich muss dich jetzt irgendwie ins Auto kriegen.“ Er richtete mich auf, bis ich sitzend an ihm
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