Dirty Talk
liefen gerade, und ich hörte kurz zu, während ich mich aus meinen Sachen schälte. Mir blieb noch eine Stunde Zeit, ehe ich auf Sendung ging. Später, in den frühen Morgenstunden, wollte ich mich einem anderen dunklen Geheimnis widmen. Einem, bei dem es nicht um das vorzeitige Dahinscheiden von Mäusen ging.
In gewisser Weise war ich Hugh genauso untreu gewesen wie er mir. Und das auch noch mit jemandem, dessen Namen ich gar nicht kannte.
2. KAPITEL
Ab genau sechs Minuten nach Mitternacht gehörte die Zeit wieder mir. Die letzten Nachrichten aus dem fernen Washington, D.C. waren verlesen, und ich plauderte noch kurz über das Wetter. Es war eine kalte Nacht, aber morgen war wieder ein perfekter Herbsttag zu erwarten. Die Wahrscheinlichkeit für Schnee stieg allmählich. Ich ließ die Musik im Studio laut laufen und überprüfte die Anzeigen meines Monitors. Alles war in bester Ordnung.
Als ich das Mikro ausschaltete, klingelte mein Telefon.
Er ist früh dran.
Ich fuhr die Lautstärke im Studio herunter und nahm die Kopfhörer ab. Mein Herz hämmerte, als ich ans Telefon ging.
„Hey Jo, Süße! Was hast du Freitagabend vor?“
„Kimberly!“ Obwohl ich im ersten Moment zutiefst enttäuscht war, freute ich mich, von meiner besten Freundin zu hören. Sie war ein Texasblondchen, das hier oben völlig fehl am Platz war und für den Radiosender das Geld beschaffte. Sie war ein echter Workaholic mit aufregendem Privatleben. Und sie war oft zu merkwürdigen Tageszeiten wach – meinen Tageszeiten.
„Ich habe da jemanden, den du kennenlernen solltest. Einen Mann.“ Ma-ann. Ihre Stimme senkte sich verschwörerisch.
„Um Himmels willen! Ich will mich nicht mit irgendwelchen Männern treffen.“
„Das solltest du aber, denn es wäre gut für die Umwelt. All diese elektronischen Geräte, die in deinem Schlafzimmer brummen und zur Klimaerwärmung beitragen. Du bist deine eigene, kleine braune Wolke.“
Die Tür zum Studio ging auf. Jason, der stellvertretende Techniker vom Sender, stand in der Tür und verschloss seinen Fahrradhelm.
„Warte mal, Kim.“ Ich wandte mich ihm zu und lächelte. Er sah so unglaublich süß und schüchtern aus, und nach kurzem Zögern erwiderte er mein Lächeln strahlend. „Hi, Jason. Was ist los?“
„Hi, Jo. Ich wollte dir nur sagen, dass ich jetzt nach Hause fahre. Du bist ab sofort auf dich allein gestellt.“
„Danke. Gute Nacht.“
Er schloss die Tür.
„Ach, der reizende Jason“, schnurrte Kimberly. „Du und er allein in diesem großen, alten Radiosender. Also, wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich ihn mit Haut und Haaren verschlingen.“
„Du würdest ihn zu Tode ängstigen.“ Mir war die Idee auch schon gekommen. Der hübsche schlanke Jason war gerade mal einundzwanzig (das war jung, aber es war legal!), hatte einen Pferdeschwanz, trug ausgebleichte Jeans, Wanderstiefel, einen einzelnen Ohrring, war immer unrasiert … oh Gott, er war wirklich ein wandelndes Klischee! Vor allem war er aber schüchtern und süß und durchaus ein Leckerbissen, wie Kimberly nicht müde wurde zu erwähnen.
„Du denkst doch nicht, dass er schwul ist, oder?“, fragte Kimberly, als ginge sie gerade die Liste ihrer potenziellen Beischlafkandidaten durch.
„Nein, aber ich habe mich schon gefragt, ob er an irgendwelchen geheimen Stellen Piercings hat.“
„Hab ich auch schon überlegt. Denke ich ständig drüber nach. Also dieser Mann, von dem ich gerade sprach, ist auch am Sender interessiert, weshalb ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen könnte. Er ist wirklich sehr geeignet, Jo.“
„Für mich oder für den Sender?“
„Beides. Süße, ich weiß, du kannst die Freitagsschicht auch an einen Volontär abgeben. Darum wirst du morgen früh eine Eintrittskarte für die Sinfonie in deinem Postfach finden.“
Ich imitierte ihren gedehnten, texanischen Akzent. „Ich liiiieeeebe Männer mit ’ner dicken Brieftasche.“
„Ich auch, Süße.“ Aber die Spendensammlerin in Kimberly geriet jetzt voll in Fahrt. „Zusammen mit der Karte schicke ich dir eine Liste mit den Leuten, die wir da treffen. Präg dir ihre Namen ein, und stell dich darauf ein, einfach bezaubernd zu sein. Du kannst dir wieder meinen schwarzen Taftrock ausleihen.“
„Und die Schuhe mit den Mörderabsätzen auch?“, fragte ich hoffnungsvoll. Ich liebte den Rock, denn er raschelte so verheißungsvoll und war über den Knien gerafft. Kimberly besaß eine riesige Garderobe, die nur aus
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