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Diva (DE)

Diva (DE)

Titel: Diva (DE) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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erscheint wieder mit einem Kamm. Sie zieht den Kamm durch ihr kastanienbraun gefärbtes Haar, in dem sich allenfalls ein oder zwei Tage alte Spuren Grau an den Wurzeln zeigen; Miss Kathie zieht den Kamm von der Kopfhaut weg, lässt die langen Strähnen fallen und sagt: »Dieses Getue von wegen ›Lebensleistung‹  – da komme ich mir vor wie tot.«
    Ohne auf mich zu warten, sagt Miss Kathie: »Ich helfe dir.« Und reißt an dem Band.
    Mit einem einzigen Ruck geht die hübsche Schleife auf, und meine Miss Kathie zerrt das Silberpapier von der Schachtel und zerknüllt es. In der Schachtel wird schwarzes Tuch sichtbar. Ein schwarzes Kostüm mit knielangem Rock. Darunter eine Latzschürze aus gestärktem weißen Leinen und ein kleines Spitzenhäubchen, in dem Haarnadeln stecken.
    Der Geruch ihres Haars, ihrer Haut, ein Hauch von Bay Rum , dem Parfüm von Webster Carlton Westward III . Paco trug Roman Brio. Der Senator trug Old Lyme . »Verflossener« Nummer fünf, Terrence Terry, der vor dem Senator, trug English Leather . Der Stahlbaron trug Knize .
    Miss Kathie lässt das Kostüm auf dem Tisch liegen, schreitet, sich weiterhin kämmend, auf die rechte Bühnenseite, stellt sich in ihren rosa Pantoletten auf die Zehenspitzen und reckt sich nach dem Fernseher auf dem Kühlschrank. Als sie den Schalter betätigt, flackert der Bildschirm auf, und es erscheint, langsam wie ein Fisch, der in einem trüben Tümpel an die Oberfläche kommt, das Gesicht von Paco Esposito . Um seinen Hals hängt das männliche Gegenstück zu einer Diamantkette, ein Stethoskop. Einen Mundschutz unters Kinn geschoben. Ein blutiges Skalpell in der Hand, schiebt Paco einer Jeanne Eagles in rot-weiß gestreiftem Schwesternkittel, die die junge Naive spielt, seine Zunge in den Hals.
    »Die Vermittlungsagentur soll auf keinen Fall den Eindruck haben, dass du mehr als eine Dienstbotin bist«, sagt meine Miss Kathie. Sie dreht den Senderknopf auf den nächsten Kanal, wo Terrence Terry in einer Ballettfassung des Feldzugs gegen Napoleon das Lunenburg-Bataillon in die Schlacht bei Mont St. Jean führt. Miss Kathie zieht den Kamm durch ihr Haar und schaltet auf einen dritten Sender um, wo sie selbst, Katherine Kenton , in einer Schwarzweißverfilmung des Lebens von Clara Barton die Mutter von Greer Garson in der Rolle von Louisa May Alcott neben Leslie Howard spielt.
    Sie sagt: kläff, oink, gluck  … Christina und Christopher Crawford .
    »Nichts«, sagt Miss Kathie, »lässt eine Frau jünger aussehen, als wenn sie ihr Neugeborenes in den Armen hält.«
    Gluck, summ, i-aah  … Margot Merrill .
    Auf dem nächsten Kanal sehen wir Miss Kathie als uralte Mumie hergerichtet, mit faltiger Latexhaut entsteigt sie einem mit Hieroglyphen bedeckten Sarg aus Pappmaché und erschreckt eine kreischende, taufrische Olivia de Havilland .
    Ich frage: Was für ein Neugeborenes?
    Zeter, piep, muh  … Josephine Baker und ihr kompletter Rainbow Tribe .
    Eine zwischengeschnittene Nahaufnahme zeigt uns die Lösung: Das Kostüm auf dem Küchentisch, dieses Geschenk, ist mit langen kastanienbraunen Haaren übersät, so dunkel mahagonibraun sind Haare nur, wenn sie klatschnass sind. Das Einwickelpapier, das Band und der Kamm, alles hingeworfen, damit ich es aufsammle. Das schwarze Kostüm ist die Dienstkleidung eines Hausmädchens.
    Meine Stellung in diesem Haus ist nicht die einer bloßen Dienstbotin oder Köchin oder Hofdame. Ich bin in keinerlei Betracht als Haushaltshilfe eingestellt.
    Das ist kein Geburtstagsgeschenk.
    »Wenn die Agentur fragt, machen wir dich zu einem Au-pair-Mädchen«, sagt Miss Kathie; sie steht auf den Zehenspitzen, ihre Nase dicht vor ihrem Abbild auf dem Fernsehschirm. »Ich liebe dieses Wort … au pair «, sagt sie. »Das klingt fast wie … Französisch.«
    Im Drehbuch blickt Lilly Hellman entsetzt auf, als Präsident John F. Kennedy und Gouverneur John Connally in Fontänen aus Blut explodieren. Die Arme fest angelegt, die Hände zu Fäusten geballt, wirft Lilly den Kopf zurück und leert ihren Mund, ihre Kehle, leert ihre Lungen mit einem endlos geheulten »Neeeeeiiiiiin…!« Die starre Silhouette ihrer Verzweiflung vor dem weiten, blassblauen Himmel von Dallas .
    Ich starre das zerknitterte schwarze Kostüm an, das zerfetzte Einwickelpapier. Die herumliegenden Haare. Das Drehbuch, aufgeschlagen in meinem Schoß.
    »Du kannst gleich den Kaffee heraufbringen«, sagt Miss Kathie und schlägt mit der flachen Hand auf den Ausschaltknopf.

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